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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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vor sich hin geträumt.

    Mir war nicht klar, was ich getan hatte, um sie zu stören. Vielleicht gar nichts. Es konnte auch die übliche Zeit sein, in der sie aufwachten, die Flügel dehnten und davonflogen, um sich im Haar von kleinen Mädchen zu verfangen.
    Im Chor erhoben sie ihre schrillen Stimmen. Sofort warf ich mich flach auf den Bauch und faltete die Arme über dem Kopf.
    Wie erwartet, verließen sie ihre künstliche Höhle durch die höchste Röhre, in der auch ich mich befand. Da diese sich sicher nie vollständig mit Wasser füllte, bot sie immer einen zumindest teilweise ungehinderten Ausgang.
    Hätte man mich aufgefordert, die Zahl der Tierchen zu schätzen, während sie über mich hinwegflatterten, so hätte ich »Tausende!« gesagt. Eine Stunde später hätte die Antwort bestimmt noch »Hunderte!« gelautet. In Wirklichkeit waren es wohl deutlich weniger als hundert, vielleicht etwa fünfzig bis sechzig.
    Das von den runden Betonwänden zurückgeworfene Rascheln ihrer Flügel klang wie das Knistern von Zellophan, das die Geräuschemacher beim Film einsetzen, um ein tobendes Feuer zu imitieren. Dabei entstand kaum ein Luftzug, aber ein Geruch nach Ammoniak, den sie mit sich forttrugen.
    Einige flatterten gegen meine Arme, mit denen ich den Kopf schützte. Wie Federn strichen sie über meine Handrücken. Eigentlich hätte ich dabei an Vogelschwingen denken können, aber stattdessen kamen mir wuselnde Insekten in den Sinn: Kakerlaken, Tausendfüßler, Heuschrecken. Nicht ganz unpassend, schließlich waren Heuschrecken die achte Plage gewesen.
    Tollwut.
    Da ich irgendwo gelesen hatte, ein Viertel jeder Fledermauskolonie sei mit diesem Virus infiziert, wartete ich darauf, mehrfach übel gebissen zu werden. Es wurde jedoch nicht einmal an mir geknabbert.

    Stattdessen kackten einige der Tierchen im Vorüberfliegen auf mich. Diese Beleidigung konnte ich nur so verstehen, dass mein Schicksal die Herausforderung vorhin angenommen hatte. Nun war ich tatsächlich dreckiger und elender als bisher.
    Nichtsdestoweniger erhob ich mich wieder und folgte gebückt der Röhre, die nach unten führte. Irgendwo da vorne, nicht weit weg, fand ich bestimmt einen Kanaldeckel oder einen anderen Ausgang. Zweihundert Meter waren es nur noch, redete ich mir ein, höchstens dreihundert.
    Einige Schritte weiter sah ich im Kegel meiner Lampe eine Abzweigung. Der linke Arm führte weiter nach unten, der rechte hingegen nach oben. Das hieß, er brachte mich wahrscheinlich näher an die Oberfläche.
    Ich war erst zehn oder zwanzig Meter weit gekommen, als ich die Fledermäuse zurückkommen hörte. Offenbar waren sie in die Nacht hinausgeflogen, hatten festgestellt, dass dort ein Unwetter tobte, und waren sofort umgekehrt, um wieder ihr gemütliches unterirdisches Heim aufzusuchen.
    Weil ich bezweifelte, eine zweite Konfrontation ungebissen zu überstehen, drehte auch ich mich panisch um und rannte gebückt davon. An der Abzweigung sprang ich nach rechts in die zweite vom Becken wegführende Röhre und hoffte, dass die Fledermäuse nicht vergessen hatten, wo es nach Hause ging.
    Erst als das hektische Flattern hinter mir anschwoll und dann leiser wurde, blieb ich stehen und lehnte mich keuchend an die Wand.
    Vielleicht balancierte André gerade auf dem Sims, wenn die Fledermäuse zurückkehrten. Gut möglich, dass er dann erschrocken ins Becken stürzte und von dem besagten Spatenstiel aufgespießt wurde.

    Bei dieser Fantasie wurde mir warm ums Herz, aber nur kurz, denn es war kaum vorstellbar, dass André sich vor Fledermäusen fürchtete. Oder vor irgendetwas anderem.
    Ein unheilvolles Geräusch erhob sich, das bisher nicht hörbar gewesen war, ein dumpfes Grollen, als würde ein gewaltiger Granitblock über felsigen Boden gezogen. Es schien von einem Punkt zwischen mir und dem Auffangbecken zu kommen.
    Normalerweise bedeutete so etwas, dass sich eine Geheimtür im Fels öffnete, gefolgt vom großen Auftritt des bösen Herrschers in Kniestiefeln und Umhang.
    Zögernd ging ich wieder auf die Abbiegung zu. Dabei neigte ich den Kopf erst in die eine und dann in die andere Richtung, um zu lokalisieren, woher das Geräusch wirklich kam.
    Das Grollen wurde lauter. Nun hörte es sich nicht mehr wie über Felsgrund gleitender Granit an, sondern wie ein Schaben von Fels auf rauem Eisen.
    Als ich die Hand an die Wand der Röhre drückte, spürte ich Vibrationen im Beton.
    Um ein Erdbeben handelte es sich wohl kaum, sonst hätte ich ruckhafte

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