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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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dritten Mal ab. Das Mitleid, das ich bisher mit ihm gehabt hatte – und ich glaube, es war durchaus rudimentär vorhanden –, war endgültig dahin.
    Ich hatte keine Ahnung, wie oft eine Kugel von einer Wand abprallen musste, bis sie harmlos geworden war. Bäuchlings vorwärtszurobben, war erschöpfend, und ich konnte kaum hoffen, weit genug wegzukommen, bevor mich das Glück verließ.
    Plötzlich spürte ich in der Dunkelheit zu meiner Linken einen Luftzug und krabbelte instinktiv darauf zu. Es war eine zweite Röhre von ebenfalls etwa knapp einem Meter Durchmesser. Sie diente offenbar als Zulauf, denn sie führte leicht nach oben.
    Krachend sauste ein viertes Geschoss durch den Tunnel, den ich gerade verlassen hatte. Da es bestimmt nicht um die Ecke fliegen konnte, erhob ich mich auf Hände und Knie, um rascher vorwärtszukommen.
    Bald nahm die Neigung der Röhre zu, und ein Stück weiter wurde sie noch steiler. Das Fortkommen wurde immer mühsamer. Ich war frustriert, weil es so langsam ging, musste jedoch schließlich akzeptieren, dass ich inzwischen nicht mehr besonders fit war. Deshalb durfte ich mich nicht überstrapazieren, sonst machte ich womöglich endgültig schlapp.
    Weitere Schüsse krachten, aber ich zählte nicht mit, weil mein Hinterteil nicht mehr in Gefahr war. Nach einer Weile wurde mir bewusst, dass André das Feuer eingestellt hatte.

    Endlich war ich am Ende der Röhre angelangt. Sie führte zu einer kleinen Kammer, die ich mit meiner Taschenlampe ausleuchtete. Sie sah wie ein Auffangbecken aus.
    Aus drei kleineren Rohren an der Decke strömte Wasser herab. Offenbar diente das Becken dazu, den mitgeführten Unrat aufzufangen, damit er nichts verstopfte.
    An den Wänden befanden sich in verschiedener Höhe drei Abflüsse, zu denen auch die Röhre gehörte, durch die ich gekommen war. Sie war die mittlere; bis zur niedrigsten war das Wasser schon gestiegen und strömte dort aus. Wie tief das Becken darunter war, konnte ich nicht erkennen.
    Da draußen ein Unwetter tobte, würde der eine Abfluss bestimmt bald nicht mehr ausreichen, und dann stieg das Wasser bis zu meiner Röhre. Ich musste in die am höchsten gelegene Öffnung einsteigen, die sich an der gegenüberliegenden Wand befand.
    An den Wänden ringsum war ein noch nicht im Wasser liegender Sims angebracht, deshalb konnte ich trockenen Fußes zu meinem Ziel gelangen. Ich musste mir nur Zeit nehmen und aufpassen, dass ich nicht ausrutschte.
    Die beiden Röhren, durch die ich bisher gerobbt war, waren schon für jemanden von meiner Größe klaustrophobisch eng. Ein Koloss wie André fand sie sicher unerträglich. Er musste sich darauf verlassen, dass mich ein Querschläger verwundet oder getötet hatte. Mir folgen konnte er ja schlecht, bei der Statur, oder? … Moment mal, was war das?
    Ich wand mich aus der Röhre und kam mit den Füßen auf dem Sims auf. Als ich noch einmal zurückblickte, sah ich in der Entfernung einen Lichtschein. Und mir drang auch das Grunzen ins Ohr, mit dem mein Verfolger sich hartnäckig nach oben mühte.

55
    Ich hatte gute Lust, Daturas Pistole aus dem Gürtel zu ziehen und auf André zu schießen, während er durch die Röhre auf mich zukroch. Schon zur Vergeltung.
    Noch besser geeignet als die Pistole wäre eine Schrotflinte gewesen oder ein Flammenwerfer wie der, den Sigourney Weaver im zweiten Alien -Film einsetzt. Ganz zu schweigen von dem Kessel siedendes Öl, den Charles Laughton als Glöckner von Notre-Dame auf den heranstürmenden Pöbel kippt.
    Kurz gesagt, Datura und ihre beiden Jünger hatten es geschafft, dass ich weniger als sonst bereit war, die andere Wange hinzuhalten. Sie hatten meine Toleranzschwelle für Wut gesenkt und mein Gewaltpotenzial angehoben.
    Das war mal wieder ein gutes Beispiel, weshalb man die Leute, mit denen man sich herumtreibt, gut aussuchen sollte.
    Da der Sims, auf dem ich über dem dunklen Becken balancierte, kaum mehr als handbreit war, und da ich mich mit einer Hand am Rand der Röhre festhielt, konnte ich mich jedoch nicht rächen, ohne mich zu sehr in Gefahr zu bringen. Wenn ich versuchte, die Pistole abzufeuern, geriet ich durch den Rückstoß sicher aus dem Gleichgewicht und fiel rücklings ins Wasser.
    Wie tief dieses Wasser war, wusste ich nicht, aber vor allem hatte ich keine Ahnung, was für Zeug sich direkt unter der Oberfläche befand. Da mein Glück in letzter Zeit äußerst wechselhaft gewesen war, stürzte ich wahrscheinlich auf einen

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