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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Stöße spüren müssen, nicht dieses anhaltende Schaben und Zittern.
    Plötzlich verstummte das Grollen.
    Unter meiner Hand liefen keine Vibrationen mehr durch die Röhrenwand.
    Ein Rauschen. Ein Luftzug kam aus der nach oben führenden Röhre und strich mir durchs Haar.
    Hatte sich da irgendwo ein Schleusentor geöffnet? Was die Luft verdrängte, war offenbar ein Wasserschwall.
    Da kam er auch schon. Die Woge brach aus der Abzweigung vor mir, riss mich von den Beinen und spülte mich wieder hinab in die dunklen Eingeweide des Kanalsystems.

57
    Gedreht, gewendet, geschleudert und gewirbelt sauste ich spiralförmig durch die Röhre wie ein Geschoss durch einen Flintenlauf.
    Zuerst erhellte die an meinen linken Arm geschnallte Taschenlampe die wogende graue Flut und ließ den schmutzigen Schaum glitzern. Dann löste sich der Gurt, verschwand und nahm das Licht mit fort.
    Während ich in die Finsternis hinunterschoss, schlang ich die Arme um mich und bemühte mich, die Beine zusammenzuhalten. Wenn ich wild gezappelt hätte, dann wäre ich eher in Gefahr gewesen, mir irgendwelche Knochen zu brechen oder an die Wand zu prallen.
    Ich versuchte, auf dem Rücken zu bleiben und mit dem Fatalismus eines Bobpiloten im Eiskanal durch die Röhre zu rauschen, aber die Strömung drehte mich immer wieder um und drückte mir das Gesicht unter Wasser. Die Luft anhaltend, zog ich dann die Beine an, um mich zu orientieren, und kam auch immer prustend wieder an die Oberfläche.
    Mehr als einmal schluckte ich Wasser, das ich keuchend aushustete, um verzweifelt feuchte Luft einzusaugen. Ich kam mir so hilflos vor, als würde ich schnurstracks auf die Niagarafälle zutreiben.
    Wie lange diese Rutschpartie dauerte, kann ich nicht sagen, aber da ich an diesem Tag bereits allerhand hinter mir hatte,
wurde ich müde. Sehr müde. Die Glieder wurden mir schwer, und mein Nacken wurde steif, weil ich ihn ständig anspannen musste, um den Kopf über Wasser zu halten. Außerdem tat mir höllisch der Rücken weh. Jedes Mal, wenn ich nach Luft schnappen musste, schwanden meine Kraftreserven weiter, bis ich der völligen Erschöpfung schon gefährlich nahe war.
    Licht.
    Die Woge spie mich aus der engen Röhre in einen der riesigen Tunnels der Regenkanalisation, die im Kalten Krieg womöglich zusätzlich dazu gedient hatten, Interkontinentalraketen aus Fort Kraken zu geheimen Abschussorten im Maravilla Valley zu transportieren.
    Ich fragte mich, ob der Tunnel wohl erleuchtet war, seit ich am Eingang des Systems gleich beim Blue Moon Café den Schalter betätigt hatte. Es kam mir vor, als wären seither Wochen vergangen, nicht nur Stunden.
    Hier war die Strömung nicht so halsbrecherisch wie in dem kleineren und wesentlich steileren Zuflussrohr. Ich konnte im Wasser paddeln und dadurch in der Tunnelmitte an der Oberfläche bleiben, während ich dahingetrieben wurde.
    Ein kleines Experiment ergab jedoch bald, dass ich nicht quer zu der schnellen Strömung schwimmen konnte. Der Steg, den ich bei der Verfolgung von Danny und seinen Kidnappern entlanggegangen war, war also unerreichbar.
    Ein sehnsüchtiger Blick zur Seite, und mir wurde klar, dass der Steg ohnehin unter Wasser lag, seit das einstige Rinnsal zu einem Strom geworden war. Es gab keine Möglichkeit, dem Wasser zu entrinnen.
    Falls das Kanalsystem tatsächlich in einen riesigen unterirdischen See mündete, würde ich irgendwann an dessen Ufer gespült. Robinson Crusoe ohne Sonnenschein und Kokosnüsse.

    Womöglich hatte so ein See gar kein Ufer. Er konnte schließlich von nackten Felswänden umschlossen sein, die vom seit Urzeiten herabrinnenden Kondenswasser so glatt geschliffen waren, dass sie sich nicht erklimmen ließen. Selbst wenn ein Ufer existierte, besonders gastlich war es sicherlich nicht. Ohne Lichtquelle würde ich blind in einer öden Unterwelt umhertaumeln und dem Hungertod nur entgehen, wenn ich stattdessen in einen Abgrund stürzte und mir dabei den Hals brach.
    In diesem tristen Augenblick dachte ich, dass ich dort unten sterben würde. Keine Stunde später schien es dann tatsächlich so weit zu sein.
    Schwimmend den Kopf über Wasser zu halten, stellte mein Durchhaltevermögen endgültig auf die Probe, obwohl die Strömung nun weniger turbulent war. Ich wusste nicht, ob ich es bis zum See schaffen würde. Wenn ich ertrank, musste ich wenigstens nicht verhungern. Na ja …
    Unerwartet tauchte ein schwacher Hoffnungsschimmer in Form eines Wasserstandsanzeigers auf. Ich wurde

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