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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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allem, wenn jede Strategie, die ich in Erwägung zog, unausweichlich zu der Notwendigkeit führte, einen oder all unsere Gegner zu töten. Den Entschluss, so etwas zu tun, fasse ich nicht leicht, selbst wenn mein Überleben davon abhängt und mein Widersacher unbestreitbar bösartig ist.
    Mit James Bond habe ich nichts am Hut. Ich bin sogar noch weniger blutrünstig als Miss Moneypenny.
    Auf Höhe des wahrscheinlich vierten Stocks traf ich auf eine offene Tür. Es war die erste, seit ich im Erdgeschoss in den Schacht eingestiegen war. Die Öffnung war nicht mehr als ein dunkelgraues Rechteck in einer sonst pechschwarzen Umgebung.
    Nach dem kurzen Flur mit den Aufzügen kam der Korridor mit den Hotelzimmern. Offenbar standen manche der Türen offen, weil sie von fliehenden Gästen geöffnet oder von Feuerwehrleuten eingeschlagen worden waren. Da die Fenster hier nicht mit Sperrholz verschalt waren wie im Erdgeschoss, fiel durch sie Licht in den Korridor. Ein schwacher Schein drang bis zu den Aufzügen vor.
    Meine Intuition sagte mir, dass ich noch nicht hoch genug war, weshalb ich weiterkletterte. Als ich mich gerade zwischen dem sechsten und siebten Stock befand, grollte wieder der ferne
Donner. Ein Stück weiter kamen mir plötzlich die Bodachs in den Sinn, und ich fragte mich, wie viele von ihnen wohl vor der Katastrophe durchs Hotel geschwärmt waren.
    In der Märchenwelt der Britischen Inseln ist der Bodach ein boshafter Kobold, der nachts durch den Schornstein kommt, um ungezogene Kinder zu holen.
    Was ich als Bodachs bezeichne, sind bedrohliche Geister, die ich manchmal sehe. Mit den Geistern der Toten, die mir oft erscheinen, haben sie nichts zu tun, und die Bodachs der Märchen sind sie natürlich auch nicht, aber irgendwie muss ich sie benennen, und der Name passt zu ihnen.
    Ich habe bisher nur einen einzigen Menschen kennengelernt, der dieselbe Gabe hatte wie ich. Es war ein kleiner englischer Junge, der diese Geister in meiner Gegenwart Bodachs genannt hat. Wenige Minuten später wurde er von einem außer Kontrolle geratenen Lastwagen überfahren und war tot.
    Ich spreche nie über die Bodachs, wenn sie in der Nähe sind. Außerdem tue ich so, als würde ich sie nicht sehen, und reagiere weder mit Neugier noch mit Furcht auf sie. Wenn sie wüssten, dass ich sie sehe, dann würde wahrscheinlich auch auf mich so ein Lastwagen warten.
    Diese Wesen sind rabenschwarz und haben keinerlei Gesichtszüge. Sie sind so dünn, dass sie durch einen Türspalt oder ein Schlüsselloch schlüpfen können. Im Grunde besitzen sie nicht mehr Substanz als Schatten.
    Bodachs bewegen sich vollkommen lautlos. Oft schleichen sie wie Katzen, allerdings wie solche, die so groß wie Menschen sind. Manchmal laufen sie auch halb aufgerichtet dahin; dann sehen sie halb wie Menschen und halb wie Hunde aus.
    Ich habe schon in meinem ersten Manuskript über sie berichtet. Deshalb verzichte ich jetzt darauf, genauer auf sie einzugehen.

    Nur so viel: Menschliche Geister sind es nicht, und sie gehören nicht hierher. Ihr natürliches Reich ist, wie ich vermute, ein Ort ewiger Finsternis, durch den permanent unzählige Schreie hallen.
    Ihr Vorhandensein kündigt immer ein Ereignis an, bei dem viele Menschen zu Tode kommen, wie bei dem Gemetzel im Einkaufszentrum. Ein einzelner Mord lockt sie nicht von dort, wo sie hausen, hervor. Sie begeistern sich nur für Naturkatastrophen und für menschliche Gewalt, die ein geradezu episches Ausmaß erreicht.
    In den Stunden vor dem Erdbeben und dem Feuer waren sie gewiss zu Hunderten durch das Kasino und das Hotel geschwärmt, in fiebriger Erwartung von Elend, Schmerz und Tod. Das sind die drei Dinge, an denen sie sich offenbar am liebsten laben.
    Zwei Tote, wie Dr. Jessup und der Schlangenmann, weckten bei Bodachs kein Interesse. Wenn keiner von ihnen hier aufgetaucht war, so wies das darauf hin, dass die Auseinandersetzung, die mich erwartete, womöglich nicht mit einem Blutbad endete.
    Während ich weiterkletterte, bevölkerte meine brodelnde Fantasie den lichtlosen Schacht dennoch mit Scharen solcher Geister, die wie Kakerlaken über die Wände krabbelten, flink und zuckend.

27
    Bei der nächsten offenen Aufzugtür, im zwölften Stock, wusste ich mit absoluter Sicherheit, dass ich an den Treppenwachen vorbeigeklettert war. Dazu kam das Gefühl, auf der Etage angekommen zu sein, auf der die Kidnapper Danny gefangen hielten.
    Die Muskeln in meinen Armen und Beinen brannten, nicht weil der Aufstieg so

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