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Seelenlos

Seelenlos

Titel: Seelenlos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Blicke ringsum nicht mit dem Vertrauen erwidern konnte, das ich diesen Gestalten schuldig war, schloss ich die Augen. In der Erinnerung sah ich Stormy, die mir Kraft gab, wie sie es immer getan hat.
    Mit geschlossenen Augen sagte ich: »Sie ist eine unheimlich starke Frau, die nicht nur weiß, was sie will, sondern auch das, was sie wollen sollte , und das ist ein Riesenunterschied. Wenn ihr sie im Dienst trefft, dann werdet ihr sie bestimmt erkennen. Ihr werdet sie erkennen, und ihr werdet begeistert von ihr sein.«
    Als ich nach einer Weile die Augen öffnete, mich im Kreis drehte und mit meiner Taschenlampe leuchtete, waren vier der ersten sieben Geister verschwunden: der junge Schwarze, die Kellnerin, die hübsche Blondine und der rothaarige Mann.
    Ob sie ins Jenseits weitergezogen sind oder irgendwo anders hin, weiß ich nicht mit Bestimmtheit.
    Der massige Mann mit dem Bürstenhaarschnitt sah zorniger aus denn je. Seine Schultern waren gebeugt wie unter der Last seiner Wut, die Hände waren zu Fäusten geballt.
    Er schritt schwer in den ausgebrannten Raum hinein, und obgleich er keine körperliche Substanz besaß, die auf diese Welt einwirken konnte, stieg um ihn herum grau schimmernde Asche auf und sank hinter ihm zu Boden. Leichte Gegenstände – versengte Spielkarten, kleine Holzsplitter – bebten, wenn er vorbeiging. Ein Fünf-Dollar-Chip stellte sich auf die Kante, wackelte und fiel wieder um. Von der Hitze vergilbte Würfel rasselten auf dem Boden.
    Er hatte das Potenzial zu einem Poltergeist, und ich war froh, dass er sich davonmachte.

25
    Eine beschädigte Feuerschutztür hing halb offen und schief auf zwei von drei Angeln. An den wenigen Stellen, wo die stählerne Schwelle nicht dunkel verkrustet war, spiegelte sich das Licht der Taschenlampe.
    Wenn ich es richtig in Erinnerung hatte, waren an dieser Tür mehrere Menschen zu Tode getrampelt worden, als die Spieler in Panik zu den Ausgängen stürmten. Bei dieser Erinnerung überkam mich kein Schaudern, nur eine noch tiefere Traurigkeit.
    Hinter dieser Tür, die lediglich als Notausgang gedient hatte, führte eine breite Treppe bis zum Nordende des sechzehnten Stockwerks hinauf. Vielleicht gab es von dort aus eine zusätzliche Treppe bis aufs Dach. Die von einer Kruste aus Rauch und dem Kalk des Löschwassers überzogenen Betonstufen sahen aus, als wären sie aus dem uralten Tempel eines längst vergessenen Kults hierhergeschafft worden.
    Ich ging nur halb bis zum ersten Absatz hinauf, dann blieb ich unwillkürlich stehen, legte den Kopf schief und lauschte. Im Rückblick glaube ich nicht, dass ein Geräusch mich aufgeschreckt hatte. Kein Ticken, kein Klicken, kein Flüstern stieg von den oberen Etagen herab.
    Vielleicht hatte mich der Geruch alarmiert. Verglichen mit den anderen Räumen des verwüsteten Baus, durch die ich gekommen war, roch es im Treppenhaus weniger nach chemischen
Stoffen und fast überhaupt nicht nach Ruß. Die kühlere, kalkige Luft war sauber genug, um einen Duft erkennen zu können, der genauso exotisch war wie die Ausdünstungen des Brandes, wenn auch eindeutig anders.
    Die feine Substanz, die ich nicht identifizieren konnte, erinnerte mich einerseits an Moschus und Pilze. Andererseits besaß sie etwas von frischem, rohem Fleisch, womit ich keinen blutigen Gestank meine, sondern den Duft, der aus der Frischfleischvitrine beim Metzger aufsteigt.
    Aus einem Grund, den ich nicht deuten konnte, kam mir das tote Gesicht des Mannes, den ich im Kanal gefunden hatte, in den Sinn. Graufleckige Haut. Zu einem blinden, weißen Blick zurückgerollte Augen.
    Die Härchen an meinem Nacken bebten, als wäre die Luft von dem nahenden Unwetter elektrisch aufgeladen worden.
    Ich schaltete die Taschenlampe aus und stand in vollkommener Finsternis da wie in der Höhle eines unsichtbaren Ungeheuers.
    Weil die Treppe von Betonwänden umschlossen war, schluckten die scharfen Biegungen der Absätze das Licht. Ein Wachposten, der ein oder zwei Stockwerke höher lauerte, hätte das Licht meiner Lampe wohl gesehen, aber weiter nach oben war es sicher nicht vorgedrungen.
    Eine Minute verging, in der ich weder das Rascheln von Kleidung noch das Scharren einer Schuhsohle auf dem Beton hörte. Auch eine schuppige Zunge leckte mir nicht übers Gesicht. Vorsichtig zog ich mich aus dem Treppenhaus zurück. Erst als ich im Kasino war, knipste ich die Taschenlampe wieder an.
    Wenig später hatte ich den südlichen Notausgang gefunden. Hier hing die Tür zwar

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