Seelenmoerder
besonders scharf darauf, ihn und Callie noch einmal zusammenzubringen.
Der Tisch war voll mit halbleeren Schachteln, als Callie vom Tisch aufstand und sich in dem kleinen Haus umsah. »Wie hältst du es nur in dieser engen Bude aus?« Sie schlenderte in das kleine Wohnzimmer und umrundete die Couch. »Ich würde in einem so winzigen Schuppen durchdrehen.«
Abbie ließ alles auf dem Tisch stehen und folgte ihrer Schwester zur Wohnzimmertür. Callie wirkte an diesem Abend besonders unruhig. Gereizt. »Stört mich nicht. Ich bin nicht viel hier. Meistens nur zum Schlafen.«
»Und schläfst du zurzeit allein, oder leistet dir dieser scharfe Detective im Bett Gesellschaft?« Callie warf ihr einen verschmitzten Blick zu, während sie weiter im Zimmer auf und ab ging und über den Kaminsims strich, dabei jedoch die Bilder ignorierte.
Abbie hatte nicht vor, Callie eine Antwort zu geben. Ihre Schwester hatte auf einige Fragen, die Abbie ihr gestellt hatte, ebenso verschlossen reagiert, vor allem in Bezug darauf, wo sie wohnte.
Das allein war noch kein Grund zur Beunruhigung. Callie hatte schon immer gern ein Geheimnis um Nebensächlichkeiten gemacht und war dafür übertrieben offen im Hinblick auf Dinge gewesen, die Abbie gar nicht so genau hatte wissen wollen.
Doch wenn sie an diesem Punkt weiter nachhakte, könnte sie Callie von Ryne ablenken, einem Thema, das sie tunlichst vermeiden wollte. »Ich wüsste wirklich gern, wo du in Savannah wohnst – falls ich dich mal sprechen muss und dich am Telefon nicht erreichen kann.«
»Mal hier, mal da«, antwortete Callie ausweichend. »He, ich hab eine super Idee! Lass uns ausgehen.« Mit leuchtender Miene wandte sie sich zu ihrer Schwester um. »Wann sind wir zwei eigentlich das letzte Mal um die Häuser gezogen?« Sie winkte ungeduldig ab, als Abbie gerade zu einer Antwort ansetzen wollte. »Nein, ich meine nicht zum Essen wie neulich. Ich meine, dass wir uns aufstylen und die Szene hier mal so richtig durchchecken.« Ihr Tonfall wurde flehentlich. »Komm schon, das wird geil. Ich möchte dir ein paar Leute vorstellen.«
Abbie hatte ein schlechtes Gewissen dabei, Callies Begeisterung durch ihre Bedenken zu dämpfen, obwohl sie lieber im Bergwerk geschuftet hätte, als die nächsten Stunden in verrauchten Kneipen zu verbringen und zuzusehen, wie Callie mehr und mehr die Kontrolle verlor. »Ich muss morgen arbeiten.« Sie sprach die Worte mit einer Spur von Bedauern aus, sah ihrer Schwester jedoch an, dass sie ihr das nicht abnahm. »Ich bin schon über das Alter hinaus, in dem ich die Nacht durchmachen kann, ohne am nächsten Tag unter den Folgen zu leiden.«
»Du hast einfach nicht genug Übung.« Gereizt schlug Callie auf den Kaminsims und stieß dabei das Foto von ihr und Abbie zu Boden. »Die stets vernünftige, tüchtige
Abbie. Tut immer das Richtige. Trifft die richtigen Entscheidungen. Die makellose, perfekte Abbie.«
Abbie schnürte es die Brust zu. »Ich bin alles andere als perfekt.«
»Warum denn – weil du immer noch Angst vor der Dunkelheit hast? Du kannst einfach Licht machen, dann wird es hell, weißt du? Bestimmt wünschst du dir, es wäre ebenso leicht, mich loszuwerden.«
»Du weißt, dass das nicht stimmt«, sagte Abbie gelassen.
»Weiß ich das?« Callies Lächeln hatte etwas Wehmütiges an sich. »Ich kenne dich überhaupt nicht mehr. Nicht richtig. Wann haben wir uns zum letzten Mal nahegestanden, Abbie? Ich meine, richtig, richtig nahe.«
Es war nicht der beste Moment für die schonungslos ehrliche Antwort, dass sie einander nie wirklich nahe gewesen waren. Also antwortete Abbie so aufrichtig wie möglich und hoffte, dass das reichte. »Du weißt, dass ich dich lieb habe. Und das wird auch so bleiben. Wir sind doch Schwestern.«
»Wir könnten uns wieder nahekommen.« Callies Augen leuchteten, und ihre Miene war voller Eifer. »Weißt du, wann wir uns immer am nächsten waren?« Sie wandte sich vom Kaminsims ab und ging rasch auf Abbie zu. »Wenn ich dir das gegeben habe. Weißt du noch?«
Als Abbies Blick auf den Gegenstand fiel, den Callie hervorgezogen hatte, schnappte sie nach Luft. Eine Rasierklinge. Noch in der Schutzhülle. Die Vergangenheit überflutete sie mit einer eisigen Gewalt, der sie nicht ausweichen konnte.
Hier, Abbie. Du kannst die Glasscherbe wegwerfen. Nimm heute Abend das. Ich weiß, dass du für mich da bist. Ich weiß Bescheid.
»Tu das weg.« Ihre Kehle war wie zugeschnürt, und die
Worte kamen erstickt
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