Seelenmoerder
bearbeitet, ohne dass die Ermittlungsleiter je ihr gegenüber aufgetaut wären. Arbeiten konnte sie auch so. Es machte nur alles anstrengender.
Nach wie vor in Gedanken bei dem Fall, ging sie auf das Haus zu. Sie wollte die Opfer alle selbst befragen und hatte bereits für den nächsten Morgen einen Termin mit Amanda Richards, der Enkelin des Bürgermeisters, in deren Krankenzimmer vereinbart. Die junge Frau wurde gerade auf die dritte Operation seit dem Überfall vorbereitet. Nach den Fotos in den Unterlagen zu urteilen, war sie schlimm zugerichtet worden …
Abbie blieb abrupt stehen. Mit einer geschmeidigen Bewegung bückte sie sich, zog die Waffe aus ihrem Knöchelhalfter und richtete sie gegen die offen stehende Hintertür.
Auf den Stufen lagen Scherben von der zerbrochenen Glasscheibe in der Tür. Die Einbruchsmethode war plump, aber wirkungsvoll gewesen. Abbie entsicherte ihre Sig und holte das Mobiltelefon aus der Tasche. Nachdem sie den Einbruch gemeldet hatte, steckte sie das Telefon wieder ein und ging ums Haus herum.
Die Vordertür war nach wie vor zu. Abbie trat auf die Veranda und drehte am Türknauf. Abgeschlossen. Sie setzte ihren Weg um das Haus fort und zog den Schluss, dass der Einbrecher das Haus auf demselben Weg betreten und wieder verlassen hatte.
Falls er es verlassen hatte.
In der Ferne erklangen Sirenen. Mit der Waffe im Anschlag
stieg Abbie die Stufen auf der Hinterseite des Hauses empor und stieß die Tür mit der Schuhspitze an. Dann betrat sie die Küche, suchte den Raum ab und stellte fest, dass niemand da war.
Das Haus war klein und L-förmig. Die Küche ging ins Wohnzimmer über, während Schlafzimmer und Bad zur Rechten lagen. Rasch warf sie einen Blick zur Kellertür. Sie war abgesperrt. Vorsichtig drang sie weiter ins Haus vor, wobei einzig und allein die Scherben unter ihren Füßen knirschend die Stille durchbrachen.
Das Einzige, was nicht an seinem Platz stand, waren die drei gerahmten Bilder, die sie auf den Sims des kleinen Kamins gestellt hatte. Sie lagen mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden, als hätte sie jemand mit einer heftigen Armbewegung heruntergefegt.
Es gab nur wenig mögliche Verstecke im Wohnzimmer, und sie überprüfte sie alle. Hinter der Couch. Hinter dem Fernsehsessel. Und, mehr auf der Hut, den Garderobenschrank. Nichts.
Vor dem Haus kam mit quietschenden Reifen ein Auto zum Stehen. Abbie warf einen kurzen Blick ins Badezimmer, ehe sie sich aufs Schlafzimmer konzentrierte. Eine rasche Suche überzeugte sie davon, dass der Eindringling weg war. Sie steckte die Waffe wieder ins Halfter und richtete den Blick auf die offenen Türen des Einbauschranks im Schlafzimmer. Auf seinem Boden lagen Stofffetzen verstreut. Abbie trat näher und starrte auf die Verwüstung hinab, die man ihrer Garderobe zugefügt hatte. Ihr wurde flau, und zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, dass sie den Eindringling womöglich nur allzu gut kannte.
Sie ging den gleichen Weg zurück und nahm die beiden Polizisten in gelassener Pose an der Hintertür in Empfang. »Ich wohne hier. Ich habe den Einbruch gemeldet.«
»Bitte treten Sie beiseite, Ma’am.« Ein Beamter ging mit gezogener Waffe an ihr vorbei, während der andere vor ihr stehen blieb. »Zeigen Sie mir bitte einen Ausweis?«
Der Polizist war jung, ungefähr Mitte zwanzig, und sprach mit dem hier typischen Akzent, bei dem die Vokale gedehnt ausgesprochen wurden. Doch er hatte einen scharfen Blick, wirkte wachsam und hatte seine Waffe nicht gesenkt.
»Abbie Phillips. Hier ist meine SCMPD-Dienstmarke.« Sie löste das Abzeichen von ihrer Hemdtasche und reichte es ihm. Er musterte es und sah dann wieder Abbie an.
»Sonderberaterin? Wofür?«
»Ich arbeite bei der Sonderkommission für die Fahndung nach dem Serienvergewaltiger.«
Der andere Beamte kehrte zurück. »Das Haus ist leer.«
»Sie hätten das Haus nicht betreten sollen, bevor wir gekommen sind, Ma’am.« Im Ton des ersten Polizisten schwang etwas leicht Vorwurfsvolles mit, als er Abbie die Dienstmarke zurückgab. »Der Kerl, der bei Ihnen eingebrochen hat, könnte sich immer noch hier herumtreiben.«
Sie wollte die Angelegenheit nicht dadurch komplizieren, dass sie zugab, bewaffnet zu sein. Jedenfalls hatte der Cop namens Dale Mallory recht.
»Es hat nicht den Anschein, als würde etwas fehlen«, sagte sie. Die einzigen Wertsachen, die sie mitgebracht hatte, waren ihre Sig und ihr Laptop, und die hatte sie beide bei sich. »Reiner Vandalismus. Kommt
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