Seelenmoerder
herum, fasste sie am Ellbogen und steuerte sie auf die Tür zu. »Wir sind in zwanzig Minuten zurück.« Der leicht drohende Unterton in seinen Worten war nicht zu überhören.
Als sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, versuchte Amanda zu lächeln, doch ihr Mund reagierte nur
auf einer Seite. »Entschuldigen Sie bitte. Die beiden können ganz schön heftig werden, wenn es um mich geht.«
»Eltern müssen ihre Kinder eben beschützen.« Auch wenn manche Eltern dabei kläglich versagten. »Ich kann es ihnen nicht verübeln, wenn sie den Zeitpunkt unpassend finden.«
»Nach dem Eingriff bin ich tagelang weggetreten.« Amanda drückte den Knopf, mit dem sich das Kopfteil des Betts höher stellen ließ. »Schmerzmittel wirken bei mir immer so. Und ich wollte auch nicht länger warten. Grandpa Richards hat Daddy erzählt, dass sie eine Expertin engagiert haben, und ich wollte mit Ihnen reden.«
Abbie begriff sofort, dass Bürgermeister Richards gemeint war. Irgendjemand, wahrscheinlich Commander Dixon, hielt den Mann auf dem Laufenden. »Ob ich eine Expertin bin, weiß ich nicht, aber ich habe Erfahrung mit solchen Fällen. Ich möchte mich auf die Opferstruktur konzentrieren und Ihnen ein paar Fragen stellen, die bei den ersten Vernehmungen nicht zur Sprache gekommen sind.«
»Sie meinen, Sie möchten herausfinden, warum er mich ausgewählt hat. Uns.«
Abbie nickte. Das Mädchen war fix. »Genau.«
Amanda wies auf einen Stuhl neben dem Bett, und Abbie setzte sich, ehe sie ihr Notizbuch herausholte. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Ich habe ja momentan jede Menge Zeit«, fügte sie ohne Bitterkeit hinzu. »Nachdem es passiert war, hat mir die Polizei jede Menge Fragen über die Schönheitswettbewerbe gestellt, bei denen ich mitgemacht habe. Ich wurde letzten Herbst zur Miss Savannah gewählt und nehme demnächst an – sollte ursprünglich in ein paar Wochen an der Wahl der Miss Georgia teilnehmen. Mein Sponsor dachte, ich hätte ganz gute Chancen.« Sie verstummte kurz und sprach erst weiter, als sie sich wieder
gefasst hatte. »Aber ich glaube nicht, dass es etwas mit der Misswahl zu tun hatte. Mit irgendeiner Misswahl.«
Dies war auf jeden Fall eine wichtige Spur gewesen, an die auch Abbie gedacht hatte, allerdings hatte sich bei sämtlichen Nachforschungen in dieser Richtung nichts ergeben. »Warum nicht?«
»Na ja, von den anderen Mädchen hätte mir das garantiert keine angetan«, erwiderte sie gelassen. »Ein paar wären vielleicht bösartig genug, um für eine andere, die ihnen im Weg steht, einen Unfall zu arrangieren, von einigen der Mütter ganz zu schweigen.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber die Leute in und um solche Schönheitswettbewerbe sind zu neunzig Prozent weiblich. Und keine Frau, die ich kenne, wäre zu so etwas imstande. Oder auch nur imstande, so etwas gegen eine andere Frau einzufädeln. Das kann ich mir einfach nicht vorstellen.«
»Aber Sie sind bei den Misswahlen doch auch mit Männern in Kontakt gekommen«, hakte Abbie nach.
Amanda zuckte die Achseln. »Sicher. Toningenieure, Moderatoren, einige der Sponsoren, Agenten … Aber eigentlich wollte ich sagen, dass ich andauernd in Kontakt mit Männern komme. Ich gehe hier in Savannah aufs College und sehe tagtäglich auf dem Campus mehr Männer als bei den Wettbewerben.«
Genau darüber hatte sich Abbie auch schon Gedanken gemacht. »Dann sprechen wir doch mal über die Männer auf dem Campus. In den Unterlagen steht, Sie hätten kürzlich nach einer längeren Beziehung mit Ihrem Freund Schluss gemacht.«
»Chet hatte damit nichts zu tun.« Amandas Stimme war schneidend. »Er würde niemals absichtlich jemanden verletzen. Ich weiß, dass die Polizisten ihn deswegen in die Mangel genommen haben, und das tut mir sehr leid. Es war
nicht seine Schuld – genauso wenig wie die Trennung. Ich wollte einfach noch andere Leute kennenlernen.«
Für manche Männer war das Grund genug, um gewalttätig zu werden. Doch Chet Haskins hatte für den fraglichen Abend ein Alibi. Zu der Zeit, als Amanda verschleppt worden war, hatte er in einem Chemie-Examen gesessen.
»Da es sich um einen Serientäter handelt und die anderen Opfer nichts mit den Misswahlen oder dem College zu tun haben, hängt wahrscheinlich weder das eine noch das andere mit seiner Vorgehensweise zusammen.«
»Vielleicht hat er mich einfach in der Zeitung oder im Fernsehen gesehen. Seit meiner Wahl gab es eine Menge Berichte über mich, und erst recht, als
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