Seelenmoerder
kriegst deine Weihnachtsbescherung dieses Jahr schon im Sommer.«
»Mann, du vermittelst Tinkerbell noch einen ganz falschen Eindruck von mir.«
Abbie erhob sich, nachdem sie die Küchenunterschränke durchsucht hatte, die abgesehen von ein paar Töpfen und etwas, das verdächtig nach Exkrementen von Nagetieren aussah, leer waren. »Das ist kaum möglich, Nick.«
Holmes kam aus dem Schlafzimmer. »Schaut euch das mal an.«
Ryne erhob sich. »Was hast du denn gefunden?«
Der Detective hielt ein Paar schwarze Sportschuhe mit den Sohlen nach vorn in die Höhe. »Hier stecken ein paar Steinchen im Profil. Abgesehen davon wirken sie ziemlich neu.«
Abbie musste an den Splitt unter den Hortensien vor Barbara Billings’ Haus denken. Die Proben würden sich ganz leicht vergleichen lassen.
»Sonst noch was?«
Als Antwort auf Rynes Frage hob Holmes etwas in die Höhe, was er zwischen Daumen und Zeigefinger seiner anderen behandschuhten Hand hielt. »Nur das hier.« Es war eine Schutzkappe aus Plastik. Genau die Sorte, die auf eine Spritze passte.
7. Kapitel
»Das ist aber wirklich nicht nötig«, sagte Abbie mindestens zum vierten Mal. »Ich finde den Weg zum Tatort auch allein.«
»Es ist eben doch nötig, wenn Sie unbedingt jeden Tatort persönlich aufsuchen wollen.« Vor einer Viertelstunde hatten sie den Campus der Savannah State University verlassen und fuhren nun in Richtung Meer – oder vielmehr dorthin, wo Amanda Richards zum Opfer der Gewalttat geworden war. »Ich habe schon öfter mit Profilern zusammengearbeitet, und noch nie hat einer darauf bestanden, jeden Tatort persönlich aufzusuchen. Meistens arbeiten sie mit den Fotos in der Fallakte.«
»Dann haben sie ihre Arbeit nicht richtig gemacht«, erwiderte Abbie tonlos und sah aus dem Fenster.
Ryne konnte ihr nur zustimmen. Allerdings hatte er noch nie etwas auf die von den Polizeipsychologen erstellten Profile
gegeben, die bei einigen seiner Bostoner Fälle herangezogen worden waren. Oder überhaupt auf Polizeipsychologen. Die waren schlimmer als das Wühlkommando der Abteilung für interne Ermittlungen. Die internen Ermittler konnten einem den Ruf verpfuschen, doch die Typen vom Psychodienst pfuschten einem im Kopf herum.
Eine unangenehme Erinnerung kam ihm in den Sinn. Und was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Deborah Hanna erschossen wurde, Detective Robel?
Als ob er die Welle von Emotionen in Worte fassen könnte, die in ihm aufgestiegen war, als sie vor zwei Jahren die Tür aufgebrochen hatten, hinter der Glen Powell der Frau eine Pistole an die Schläfe hielt. Den Moment, in dem ihm endgültig klar wurde, wie schlampig er in diesem Mordfall ermittelt hatte. Adrenalin, Angst, Wut, Entschlossenheit. Schuld.
Die Hochhäuser waren inzwischen auf beiden Seiten der Durchgangsstraße von Neubaugebieten abgelöst worden. Nicht gerade ein fesselnder Anblick für Abbie, und ihr Schweigen ließ den Widerhall der Stimme von damals in seinem Kopf nur umso lauter dröhnen.
Glauben Sie, Sie wären anders mit der Situation umgegangen, wenn Sie nicht am Vorabend zu viel getrunken hätten, Detective?
Falsche Frage, Doc. Nicht die Flasche am Vorabend war das Problem gewesen, sondern die vielen Flaschen, die er im Laufe der gesamten verfluchten Ermittlungen geleert hatte und die ihn für die Identität des Täters blind gemacht hatten.
Unser Vorgehen beruhte auf den Fakten, die uns vorlagen. Es war unmöglich, den Ausgang vorherzusehen.
Er war zu spät gekommen, um Deborah Hanna zu retten, doch er hatte seinen eigenen Kopf aus der Schlinge ziehen
können – nicht gerade ein fairer Tausch. Sein Team war von jeglichem Fehlverhalten freigesprochen worden, doch der Ruch des Versagens klebte an ihm und ließ sich nicht abwaschen.
»Eigentlich gibt es im Strandhaus nicht viel zu sehen«, sagte er unvermittelt, während er seine Erinnerungen abzuschütteln suchte. »Bürgermeister Richards hat uns kaum Zeit gelassen, den Tatort zu untersuchen, ehe er das ganze Haus von Grund auf umgestalten ließ. Anscheinend hat ihm das aber auch nicht gereicht, denn soweit ich gehört habe, steht es jetzt zum Verkauf.«
»Das ist das Problem, wenn man in laufende Ermittlungen einsteigt«, sagte sie. »Aber ich sehe mir gern mit eigenen Augen an, wie die Verhältnisse an und um einen Tatort bestellt sind und was für Zufahrten und Verstecke es ringsum gibt. Ich bekomme ein klareres Bild des Täters, wenn ich sehe, was für eine Umgebung er sich für seine Taten
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