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Seelenmoerder

Titel: Seelenmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
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Die Firma hat ihm dann grünes Licht gegeben, der Sache nachzugehen.«
    »Und dadurch wurde Amanda entdeckt«, sagte Abbie leise. »Ich habe im Bericht gelesen, dass Sie den Wachmann gründlich unter die Lupe genommen haben.«
    »Wir haben ihn überprüft, aber sein Alibi war wasserdicht – sowohl für diesen Abend als auch für die erste Vergewaltigung.«
    Als Ryne in der Tür zu einem der Schlafzimmer stehen blieb, ging Abbie um ihn herum und nahm sich einen Moment Zeit, um den Raum auf sich wirken zu lassen. Raiker predigte unablässig, dass es nicht genügte, sich einen Tatort nur auf Fotos anzusehen. Man musste ihn erfahren . Musste sehen und hören, was das Opfer gesehen und gehört hatte. Und nachdem die Spurensuche am Tatort abgeschlossen war, musste man berühren, was das Opfer berührt hatte. Erst dann konnte man sich in den Ablauf des Tatgeschehens hineinversetzen und in die Gedankenwelt des Täters, der alles so arrangiert hatte, wie es seinen Bedürfnissen entsprach.
    Und war sie etwa nicht daran gewöhnt? Die klugen Einflüsterungen zogen durch Abbies Kopf, als sie den Raum betrat und blind auf die Möbel starrte. Kennt man das Opfer, kennt man auch den Täter. Das hätte Raiker gesagt. Und
in diesem Fall – wie in den meisten Fällen, die sie bearbeitet hatte – war den Täter zu kennen gleichbedeutend damit, ihn hinter Schloss und Riegel zu bringen. Doch es war nicht immer so einfach. Es war nicht immer so klar.
    »Das Zimmer ist fast komplett umgestaltet worden.« Abbie zuckte zusammen, als Rynes Stimme hinter ihr ertönte. »Sogar der Boden sieht neu aus.« Das glänzende Hartholz unter ihren Füßen glänzte in dem Licht, das durch die Jalousien drang. »Die Möbel sind anders. Und der Wandanstrich. Hier sah es ziemlich schlimm aus. Überall waren Blutspritzer.«
    Jetzt erinnerte nichts mehr an die Gewalttat, die vor wenigen Wochen hier verübt worden war. Kein unauslöschlicher Hauch des Bösen schwebte im Raum. Alles wirkte frisch und unpersönlich. Es hätte ein Zimmer in einem Kettenhotel sein können. »Hat Amanda immer hier geschlafen, wenn sie im Haus war?«
    »Nein, im Nebenzimmer.« Abbie folgte ihm nach nebenan, sah hinein und musterte die gerüschte Bettdecke und die dazu passenden Vorhänge. Nirgends lagen persönliche Gegenstände herum.
    Der Raum auf der anderen Seite des Flurs war eindeutig das Elternschlafzimmer. Abbie ging vor Ryne hinein, betrachtete die zum Meer hinausblickende Fensterfront, das angeschlossene Badezimmer und die Einbauschränke. Wenn der Täter den Bürgermeister persönlich hatte treffen wollen, hätte er dann nicht dieses Zimmer gewählt? Wäre es nicht noch mehr Salz in die Wunden gewesen, die geliebte Enkelin nicht nur zu vergewaltigen, sondern dies im Haus des Bürgermeisters, in dessen eigenem Schlafzimmer, dessen eigenem Bett zu tun?
    Während sie darüber nachsann, ging sie zum nächsten Zimmer weiter. Es war kleiner und hatte ebenfalls eine schöne
Aussicht. Vielleicht traute sie dem Täter auch aufwendigere Vorbereitungen zu, als er tatsächlich getroffen hatte. Vielleicht hatte er das Zimmer einfach deshalb gewählt, weil es dem Wohnzimmer am nächsten lag. Er musste das Haus zunächst allein betreten haben, um nicht dabei gesehen zu werden, wie er eine bewusstlose Amanda hineintrug. Dann hatte er die Garage von innen geöffnet und war mit dem Auto hineingefahren. Im Handumdrehen hätte er das Fahrzeug blicksicher untergebracht. Ein kleines Risiko, doch wenn er sich mit den Patrouillengängen der Sicherheitsfirma vertraut gemacht hatte, konnte er es eingehen.
    Abbie kehrte in das Zimmer zurück, wo der Übergriff stattgefunden hatte, und trat ans Fenster. Dann zog sie die Jalousie hoch und blickte über die Einfahrt zur Straße hinaus. »Warum hat er das Fenster aufgemacht?« Sie wandte sich zu Ryne um, der mit der Schulter am Türrahmen lehnte. »War es in dieser Nacht ungewöhnlich heiß? Aber selbst wenn«, fuhr sie fort, noch ehe er antworten konnte, »warum hat er dann nicht die Klimaanlage angemacht?«
    »Die Temperatur war ganz normal für die Jahreszeit, etwas über zwanzig Grad. Das Opfer hatte keine Ahnung, warum er das Fenster aufgemacht hat.«
    »Im Bericht heißt es, die Häuser rechts und links standen leer«, sinnierte sie. »Wie viele Leute leben denn dauerhaft hier?«
    »Gar keine. Zumindest nicht in der unmittelbaren Umgebung. Das hier sind reine Ferienhäuser, und die Tat fand in der ersten Maiwoche statt. An einem Werktag. Hier

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