Seelenmoerder
vor einer Festnahme«, erinnerte er sie. Doch selbst angesichts der Hinweise, die sie bei Juárez gefunden hatten, war noch viel zu tun, bis sie ihn mit ausreichender Gewissheit mit den Vergewaltigungen in Verbindung bringen konnten. Selbst wenn der Stein aus der Sohle der in Juárez’ Wohnung gefundenen Schuhe dem Splitt neben Barbara Billings’ Haus entsprach, wurde dieser wahrscheinlich sackweise an unzählige Gartenbesitzer in diesem und anderen Vierteln verkauft. Doch
wenn das Blut aus seinem Auto zu Barbara Billings’ Blut passte, war er geliefert. Seine Behauptung, das Auto müsse gestohlen worden sein, hätte vor einem Geschworenengericht keinen Bestand, wenn es erst einmal so weit war. Nicht wenn sie ihm Mittel und Motiv nachweisen konnten.
»Sprechen wir mal über seine Vorgehensweise«, sagte er abrupt. »Ist der Drogenmix Teil seiner Vorgehensweise, oder ist er seine Signatur?«
»Könnte beides sein«, erwiderte Abbie, »wenn man bedenkt, wie er auf die Opfer wirkt. Die Mischung schwächt sie in gewissem Maße, was dem Täter sein Vorgehen erleichtert. Aber wenn die Mixtur absichtlich so ausgeklügelt worden ist, dass sie die Schmerzempfindlichkeit erhöht, dann ist sie auch ein wichtiger Teil seines Rituals. Sein Hauptziel ist es, seine Opfer entsetzlich leiden zu lassen, um sexuelle Befriedigung zu erlangen. Eine Verstärkung der Folterschmerzen würde dazu beitragen.«
Ryne bremste ab und bog in die lange Zufahrt zu Bürgermeister Richards’ großzügigem Strandanwesen ein. Unter dem Haus gab es eine Doppelgarage, vor deren einem Tor er anhielt. Er fragte sich, was für ein krankes Schwein auf die Idee kam, eine Droge auszutüfteln, die die Schmerzen seiner Opfer verstärkte. Als ob Folter allein noch nicht genug wäre.
Er versuchte alles, was Abbie gesagt hatte, auf Juárez zu übertragen. Auf seine Anweisung hin hatte Holmes Informationen über Juárez’ Vorgeschichte eingeholt, und Ryne war gespannt, was er gefunden hatte. Juárez’ Strafregister hatte nur kleinere Vergehen enthalten, ehe er wegen Drogen verurteilt worden war, doch das hieß lediglich, dass man ihn noch nicht bei etwas Schlimmerem erwischt hatte. Er wäre nicht der erste Kriminelle, der sich im Gefängnis weiterentwickelte.
Ryne hatte mehr als genug Zeit damit verbracht, kranke Widerlinge wie den zu jagen, der jetzt den Frauen in Savannah auflauerte. Inzwischen betäubte er die Auswirkungen der vielen Hässlichkeit und der wenigen Erfolge nicht mehr mit Alkohol. Es war Teil seines Lebens, gehörte zu dem, was und wer er war, und er dachte nicht mehr über Wie oder Warum nach.
Während er Abbie dabei zusah, wie sie ausstieg und aufs Haus zuging, fragte er sich nicht zum ersten Mal, was diese Frau veranlasst hatte, ihr Leben und ihren Beruf darauf auszurichten, üble Typen wie den Vergewaltiger von Savannah ausfindig zu machen.
Er stieg ebenfalls aus und folgte ihr zum Haus. Diese und etliche andere Fragen über sie gingen ihm inzwischen nicht mehr aus dem Kopf, auch wenn er sich lieber voll und ganz auf den Fall hätte konzentrieren sollen. Oder wenigstens auf eine andere wichtige Frage.
Zum Beispiel, weshalb ihn das überhaupt interessierte.
Abbie ließ sich von Ryne den Weg zeigen, auf dem der Vergewaltiger seiner Meinung nach ins Haus gekommen war. Aus den Akten wusste sie, dass Amanda keinen Öffner für die Garagentür gehabt hatte, sondern nur einen nachgemachten Schlüssel. Dummerweise hatte der Täter, sowie er sie sich geschnappt hatte, mit dem Schlüssel an ihrem Bund freien Zugang zum Haus. Amanda hatte bei der Befragung zugegeben, dass sie den Sicherheitscode selbst mit Filzstift auf den Schlüssel geschrieben hatte.
Das Haus war auf drei Seiten von einer riesigen Veranda umgeben, von der man einen großartigen Blick aufs Meer hatte. Ryne schloss die Seitentür auf und ging vor Abbie hinein.
»Ich nehme an, die Sicherheitsvorrichtungen wurden
nach dem Überfall geändert«, sagte sie, während sie sich umsah. Obwohl das Haus schon ziemlich alt war, war die Küche hochmodern. Sie ging in ein Wohnzimmer mit gewölbter Decke und einer Glaswand mit Blick auf den Atlantik über.
»Schlösser und Codes wurden geändert. Der Vertrag mit der zuständigen Sicherheitsfirma wurde gekündigt, obwohl der Wachmann, soweit ich das beurteilen kann, seine Arbeit korrekt gemacht hat.« Ryne führte sie einen Flur entlang. »Er hat es sofort gemeldet, als ihm ein offenes Fenster im Schlafzimmer aufgefallen ist.
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