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Seelenmoerder

Titel: Seelenmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
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bisschen mehr, um Ryne zu überzeugen. »Wir haben uns die Opfer als Gruppe angesehen und versucht, Muster zu finden. Aber es ist mir erst ins Auge gestochen, als ich mich auf sie als Individuen konzentriert habe.«
    »Abbie.« Sein leiser Einwurf ließ sie abrupt stehen bleiben. »Worum geht es hier eigentlich?«
    Sie holte tief Luft und sah ihm fest in die Augen. »Ich glaube, er sucht nach Frauen mit einer tief verwurzelten Angst oder Phobie. Und dann führt er die Vergewaltigung in einer Weise durch, die ihr Leiden maximieren soll.«
    Er schwieg einen Augenblick. Zwei. »Okay. Die meisten Frauen fürchten sich davor, überfallen zu werden …«
    »Nein, das ist es nicht allein.« Sie durchquerte den Raum
und nahm ihm die Mappe wieder ab. Dann schlug sie sie auf und zog das oberste Blatt heraus. »Sieh dir das an. Er hat einen enormen Aufwand betrieben, um Barbara Billings ins Meer zu tauchen. Warum? Was soll das bringen? Es steigert sein Risiko, entdeckt zu werden, in völlig unnötiger Weise. Er hat etwas ganz Bestimmtes damit bezweckt.«
    Ryne runzelte die Stirn. »Ja, allerdings. Sie hatte siebenundachtzig Schnittverletzungen am Körper. Siebenundachtzig. Die meisten waren so oberflächlich, dass sie nicht verbluten konnte, aber weißt du, wie sich Salzwasser in einer offenen Wunde anfühlt? Er ist ein Sadist. Das hast du selbst gesagt. Er wollte die Folter in die Länge ziehen.«
    »Genau.« Sie nickte. »Er will die Folter in die Länge ziehen, aber noch über den Zeitpunkt hinaus, an dem sie aus dem Wasser gerettet wird. Er will, dass sie ihr Leben lang leidet.« Sein verständnisloser Blick ließ sie erregter weitersprechen. »Sie hat panische Angst vor Wasser, Ryne. Als sie sieben war, hat sie mit angesehen, wie ihr Vater ertrunken ist. Sie wäre selbst beinahe ertrunken. Seitdem ist sie nicht mal mehr in einem Planschbecken gewesen.«
    »Ein unglücklicher Zufall. Deine These ist unplausibel.«
    »Sie ist nicht unplausibel. Barbara kann sich seitdem nur noch mit einem Badeschwamm waschen, hast du das gewusst? Ihre Mutter hat gesagt, dass Barbara schon vom Geräusch laufenden Badewassers massive Panikattacken bekommt.«
    Er trug jenen unbeteiligten Gesichtsausdruck zur Schau, den sie bereits allzu gut kannte. Doch sie ließ sich nicht von ihm abblocken, sondern blätterte die Unterlagen in der Mappe durch und zog ein weiteres Blatt heraus. »Dann Tracy Sommers. Sie leidet schon zeit ihres Lebens an Klaustrophobie. Konnte kaum Aufzug fahren.« Sie schob ihm das Blatt zu, doch er nahm es nicht. »Der Täter hat ihr eine Plastiktüte
über den Kopf gestülpt und sie mehrmals erstickt und dann wiederbelebt. Jetzt ist sie arbeitsunfähig. Sie kann sich nicht dazu überwinden, ein Auto, einen Aufzug oder ein Treppenhaus zu betreten. Ich sage dir, Ryne, da liegt die Verbindung.«
    »Ausgeschlossen.« Er schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. »Er wählt sie aus, weil sie irgendwelche Kriterien für ihn erfüllen, das hast du doch auch gesagt. Irgendetwas, was seine sexuelle Erregung steigert. So stand es in deinem ersten Profil. Das war wenigstens einleuchtend.«
    Sie ignorierte die Beleidigung. »Es passt trotzdem zusammen. Nur dass ihn vor allem die Möglichkeit erregt, den Opfern ein Leid zuzufügen, das nicht mehr aufhört. Es endet nicht, wenn die Vergewaltigung vorüber ist.« Es sich laut sagen zu hören, nachdem sie einen ganzen Tag darüber gegrübelt hatte, zementierte ihre Gewissheit noch. »Er glaubt, er hat gelitten«, sagte sie halb zu sich selbst. »Er glaubt, er ist auf eine Art und Weise traumatisiert worden, die niemals geheilt werden kann.« Vielleicht brauchte es jemanden, der selbst Erfahrung mit dieser Art von Qual hatte, der zum Opfer eines gezielt zugefügten emotionalen Schmerzes geworden war, um dessen Vorhandensein bei jemand anderem zu erkennen.
    »Und jetzt hat er einen Weg gefunden, um andere Menschen entsetzlich leiden zu lassen. Vielleicht für den Rest ihres Lebens. Seine Befriedigung endet nicht mit dem Ende der Gewalttat, weil er seinen Opfern dauerhaftes Leiden garantiert. Und damit dauerhaften Genuss für sich selbst.«
    »Schwachsinn.«
    Sie starrte ihn erschrocken an. Ryne blickte anstandshalber betreten drein, was ihn jedoch nicht daran hinderte, seine nächsten Worte ebenso nachdrücklich zu äußern. »Tut mir leid. Das leuchtet mir einfach nicht ein. Du schreibst
dem Kerl viel mehr Verstand zu, als er hat. Glaubst du ernsthaft, dass Juárez so weit denken

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