Seelenmoerder
dass sie eine Sensation daraus machen.«
»Ich hoffe nicht, dass du recht hast. In Bezug darauf, wie er sie auswählt.«
»Das hast du bereits absolut deutlich gemacht.« Nicht nur ihre Stimme, sondern auch ihr schlagartig übertrieben aufrechter Körper schien wie von Eis überzogen. Es reizte ihn mehr denn je zu ergründen, wie man es schmelzen könnte.
Sein Verlangen ärgerte ihn, und man hörte seinem Tonfall den Groll an. »Es ist nicht, weil mein Ego es nicht verkraften würde oder weil es deine Idee war oder weiß der Henker, was du denkst.« Er verlagerte sein Gewicht nach hinten und starrte das verdammte Diagramm mit seinen wenigen Überschneidungen an. »Denn falls du recht hast, wo stehen wir dann? Wir können ja nicht jede Frau im passenden Alter in Savannah googeln und nachforschen, ob es in ihrer Vergangenheit etwas Traumatisches gibt. Es sei denn …« Er warf ihr einen Blick zu. »Sind mehrere der Opfer wegen einer Phobie in Behandlung oder Therapie gewesen …? Denn wenn ja, könnte der Täter womöglich dort mit ihnen in Kontakt gekommen sein.«
Sie schüttelte den Kopf. »Es sind ohnehin nur zwei, die tatsächlich an Phobien gelitten haben – die Billings vor Wasser und die Sommers vor engen Räumen. Doch irgendwie scheint er genug über sie alle herausgefunden zu haben, um von ihrer Angst zu wissen und dann für jede eine ganz persönliche Foltermethode zu ersinnen. Und glaub mir, das beängstigt
mich nicht weniger als dich, wenn auch aus anderen Gründen.«
Angesichts seiner hochgezogenen Brauen fuhr sie fort. »Damit weicht er von einem ›normalen‹ Sexualstraftäter ab, selbst wenn man davon ausgeht, dass sie alle von vornherein nicht normal sind. Aber immer, immer geht es bei Vergewaltigung letztlich um den Täter, nie um das Opfer. Um seine Wünsche. Seine Bedürfnisse. Alles andere – wen er auswählt, wie er sie auswählt, was er mit ihnen macht – beruht auf seinen eigenen Begierden. Natürlich belauert er sie, um ihre Gewohnheiten kennenzulernen und sich den Überfall zu erleichtern. Aber es ist extrem selten, dass ein Täter seine Opfer derart gezielt auswählt.«
Er versuchte sich ihre Worte in Erinnerung zu rufen – war das erst heute Morgen gewesen? »Du hast gesagt, er hat seiner Meinung nach selbst leiden müssen.«
Abbie runzelte die Stirn und musterte ihr Diagramm. »Wahrscheinlich unter irgendwelchen früheren Misshandlungen. Emotional, körperlich oder sexuell. Irgendetwas hat den Kerl komplett verkorkst. Und jetzt gibt er alles weiter. In verschärfter Form.«
»Amanda Richards und Ashley Hornby hatten aber noch kein Trauma, bevor sie seinen Weg gekreuzt haben«, gab Ryne zu bedenken.
»Stimmt. Aber die Richards war wegen ihrer Siege bei Schönheitswettbewerben überall im Fernsehen und in den Zeitungen gewesen. Es braucht nicht viel Grips, um darauf zu kommen, wie eine Schönheitskönigin wohl auf die gezielte Zerstörung ihres Aussehens reagieren wird. Oder wie sich eine preisgekrönte Tänzerin fühlt, wenn man sie zum Krüppel macht. Und was die Frage betrifft, wie er sie findet – heutzutage gibt es doch massenhaft Online-Archive, mit denen man Hunderte von Zeitungen durchsuchen kann.
Ich habe einmal ›Savannah ertrunken‹ eingegeben, und rate mal, wie viele Treffer ich bekommen habe?«
Er konnte es sich vorstellen. »Und du hast die Billings-Geschichte gefunden?«
»Bingo. Einer deiner Mitarbeiter hatte zwar schon im Internet nach Daten über die Opfer gesucht, aber Billings war der Name von Barbaras Stiefvater.«
»Und die Hornby?«
Sie blickte auf den leuchtend gelben Faden, der den Namen der Frau mit verschiedenen Kästchen auf dem Diagramm verband, und schüttelte den Kopf. »Die Preise hat sie unter dem Namen Hornby gewonnen, der auch ihr Geburtsname war. Aber in den Lokalzeitungen habe ich sie nirgends erwähnt gefunden. Ihre Nachbarin hat gesagt, sie hätte sich um ein Engagement bei einer Balletttruppe in Savannah bemüht. Ashley war nicht der Typ, der in Kneipen geht oder viele Kontakte pflegt, hat die Clemons gesagt.«
»Und die weiß es garantiert.« Er hätte einen Zwanziger darauf gewettet, dass die alte Frau über jeden in ihrer Straße genauestens Bescheid wusste.
»Ich habe mir vorgenommen, die anderen Opfer danach zu fragen, welche persönlichen Informationen sie im Internet über sich preisgegeben haben.« Sie trat an den Schreibtisch und zog die mittlere Schublade auf. »Chat-Räume, Blogs, Instant Messaging, MySpace, Facebook
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