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Seelennacht

Seelennacht

Titel: Seelennacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelley Armstrong
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dauerte eine Ewigkeit. Liz hatte Schwierigkeiten, den von der Edison Group zurückgelassenen Wächter zu finden, und so mussten wir einen weiten Umweg machen, von Versteck zu Versteck rennen, um den wirklichen Treffpunkt zu erreichen – das Lagerhaus, in dem Rae und ich auf Derek und Simon gewartet hatten.
    Wie in der vorletzten Nacht war die Tür verriegelt, aber nicht abgeschlossen. Wenn man nicht gerade irgendwo einen blühenden Schwarzmarkt für Pappkartons, Holzkisten und Paletten kannte, gab es hier auch nichts zu stehlen. Der ganze Müll machte das Lagerhaus zu einem perfekten Versteck … bedeutete aber auch, dass es dort eine Million Stellen gab, wo Simon und Derek uns eine Nachricht hinterlassen haben konnten.
    Nachdem ich ein paar Minuten lang im Dunkeln herumgestolpert war, gab ich auf.
    »Wir werden warten müssen, bis es hell wird«, sagte ich zu Tori.
    Keine Antwort. Ich spähte in die Düsternis.
    »Das ist meine Haltestelle«, sagte sie von irgendwo zu meiner Linken.
    »Hm?«
    »Der Punkt, an dem ich aussteige.« Ihre Stimme klang merkwürdig monoton, als wäre sie zu müde, um noch Kraft in die Worte zu legen. »So viel Spaß das Abenteuer auch gemacht hat, es ist jetzt zu Ende.«
    »Bleib doch noch bis zum Morgen. Wenn keine Nachricht da ist, lassen wir uns was einfallen.«
    »Und wenn eine da ist? Ich wollte mich dir beim Ausbrechen anschließen, Chloe, nicht bei deiner großen Mission, Simons Dad zu finden.«
    »Aber er wird …«
    »Den Retter geben?« Sie brachte einen sarkastischen Singsang zustande. »Uns alle vor den wahnsinnigen Wissenschaftlern retten, uns heilen und in eine Zukunft voller Einhörner und rosa Zuckerwatte führen?«
    Ich hörte meine Stimme härter werden. »Ihn zu finden ist vielleicht nicht die Lösung für all unsere Probleme, aber im Moment haben wir so sehr viele Möglichkeiten schließlich nicht. Was willst du denn stattdessen machen? Zurückgehen zur Edison Group und denen sagen, es tut dir leid, das Ganze war ein Irrtum?«
    »Ich mache das, was ich die ganze Zeit vorgehabt habe. Wir haben einander gebraucht, um da rauszukommen. Aber das war alles, was ich von dir gewollt habe. Ich würde dir helfen, nach dieser Nachricht zu suchen, aber ich bleibe deswegen nicht bis morgen früh hier. Ich gehe nach Hause, zu meinem Dad.«
    Das brachte mich bis auf weiteres zum Schweigen. Was gut war, denn sonst hätte ich vielleicht noch etwas gesagt, das ich später bereuen würde – zum Beispiel ob sie ihren Dad oder ihren Vater meinte. Wusste sie überhaupt, dass das zwei unterschiedliche Männer waren? Ich bezweifelte es.
    »Dann ist dein Dad … Ist er ein Mensch?«
    »Natürlich. Er weiß nichts von all dem. Aber ich werd’s ihm erzählen.«
    »Ist das wirklich so eine gute Idee?«
    »Er ist mein
Dad
«, schnappte sie. »Wenn er hört, was meine Mom getan hat …? Dann ist alles in Ordnung. Mein Dad und ich vertragen uns prima. Besser als er und meine Mom. Sie reden kaum noch miteinander. Ich bin mir sicher, die sind nur noch wegen uns Kindern zusammen.«
    »Aber vielleicht solltest du noch ein, zwei Tage abwarten. Mal sehen, was inzwischen passiert.«
    Sie lachte. »Und mich deiner Gruppe von Superhelden anschließen? Tut mir leid, aber ich bin allergisch gegen Latex.« Ihre Laufschuhe scharrten über den Zementboden, als sie sich abwandte. »Sag Liz einen Gruß von mir.«
    »Warte!« Ich zerrte mir den Schuh vom Fuß. »Nimm ein bisschen Geld mit.«
    »Behalt’s lieber. Ich hab nicht vor, jemals in die Situation zu kommen, in der ich’s dir zurückgeben könnte.«
    »Das ist okay, nimm’s einf…«
    »Behalt dein Geld, Chloe. Du wirst es mehr brauchen als ich.« Sie ging ein paar Schritte und blieb dann stehen. Einen Moment lang stand sie einfach da, dann sagte sie ruhig: »Du könntest mitkommen.«
    »Ich muss Simon sein Insulin geben.«
    »Stimmt ja. Okay, dann also.«
    Ich wartete auf einen Abschied, hörte aber nur noch das klatschende Geräusch ihrer Sneakers und dann das Knarren der Tür.
     
    Als Liz von ihrem Rundgang zurückkam, teilte sie mir mit, dass sie Tori hatte gehen sehen. Ich erzählte ihr, was passiert war, und wappnete mich dann gegen die Vorwürfe. Warum hatte ich zugelassen, dass Tori einfach ging? Warum war ich ihr nicht nachgegangen? Aber Liz sagte lediglich: »Sie wollte wohl nicht mehr hier rumhängen«, und das war alles.
    Eine Weile sprach keine von uns. Dann sagte Liz: »Es tut mir leid, dass ich dir nicht geglaubt habe. Dass ich tot

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