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Seelenprinz

Seelenprinz

Titel: Seelenprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. R. Ward
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schmaler Grat, schmaler, als euch beiden bisweilen bewusst zu sein scheint.«
    » Vertrau mir.«
    » Meine Sorge gilt nicht dir.« Assail musterte den anderen Zwillingsbruder. » Ihr versteht mich?«
    Ehrics Bruder schwieg und nickte nur einmal.
    Diese widerstrebende Reaktion war exakt der Grund, weshalb Assail sein neues Leben lieber einfach gehalten hätte. Aber leider konnte er nicht an mehreren Orten gleichzeitig sein– und dieser Eindringling bewies, dass er nicht alles allein bewältigen konnte.
    » Ihr wisst, wie ihr mich findet«, sagte er und entließ sie aus seinem Zimmer.
    Zwanzig Minuten später saß er geduscht und angekleidet hinter dem Steuer seines gepanzerten Range Rover.
    Die Innenstadt von Caldwell war wunderschön aus der Ferne, besonders, als er über die Brücke darauf zufuhr. Erst als er in das Gitternetz aus Straßen eindrang, wurde der ganze Schmutz sichtbar: Die Gassen mit ihren verdreckten Schneeverwehungen, den triefenden Müllcontainern und den ausgemusterten, halb erfrorenen obdachlosen Menschen zeugten von den weniger schönen Seiten des Stadtlebens.
    Seiten, die im Übrigen sein Betätigungsfeld waren.
    Er kam zur Benloise-Art-Gallery und parkte auf einem der beiden Plätze an der Rückseite des Gebäudes. Als er um seinen Wagen herumkam, fuhr der kalte Wind in seinen Kamelhaarmantel, derart heftig, dass er ihn vorne zusammenhalten musste, während er auf das Fabriktor zuging.
    Er brauchte nicht erst anzuklopfen. Ricardo Benloise beschäftigte viele Leute, und nicht alle hatten sie mit Kunst zu tun: Ein Mensch so groß wie ein Vergnügungspark öffnete das Tor und trat zur Seite.
    » Erwartet er Sie?«
    » Nein.«
    Disneyland nickte. » Wollen Sie in der Galerie warten?«
    » Gerne.«
    » Möchten Sie einen Drink?«
    » Nein, danke.«
    Assail ließ sich durch den Büroteil in den Ausstellungsbereich führen. Die Höflichkeit, mit der man ihm mittlerweile begegnete, war neu– was er zum einen der Tatsache zu verdanken hatte, dass er Großabnehmer war, zum anderen dem Blut zahlloser Menschen, das vergossen worden war: Seit sich Assail in Caldwell betätigte, war die Selbstmordrate unter Männern zwischen achtzehn und neunundzwanzig mit Drogendelikten im Strafregister derart in die Höhe geschnellt, dass landesweit darüber berichtet wurde.
    Man stelle sich vor.
    Während Nachrichtensprecher und Reporter versuchten, sich die tragischen Todesfälle zu erklären, vergrößerte Assail lediglich seinen Einflussbereich mit allen erforderlichen Mitteln. Der menschliche Geist war ach so formbar, und die Mittelsmänner im Drogengeschäft ließen sich mühelos dazu bewegen, sich die eigenen Waffen an die Schläfen zu setzen und den Abzug zu betätigen. Auf die gleiche Weise, wie in der Natur kein Vakuum Bestand haben konnte, war es auch mit der Nachfrage nach bewusstseinserweiternden Substanzen.
    Assail hatte den Stoff. Die Abhängigen hatten den Zaster.
    Der Handel überdauerte die gewaltvolle Umstrukturierung ohne Einbußen.
    » Ich gehe vor«, erklärte der Mann an der verborgenen Tür, » und sage ihm, dass Sie hier sind.«
    » Lassen Sie sich Zeit.«
    Als er allein war, verschränkte Assail die Hände hinter dem Rücken und schlenderte durch den hohen, offenen Raum. Von Zeit zu Zeit blieb er vor einem der » Kunstwerke« an der Wand und an den Raumteilern stehen– und wurde wieder einmal daran erinnert, warum die Menschen ausgerottet werden sollten, vorzugsweise auf die langsame, qualvolle Art.
    Benutzte Pappteller auf billige Spanplatten getackert mit handgeschriebenen Zitaten aus Fernsehwerbespots? Ein Selbstporträt in Zahncreme? Und genauso empörend waren die selbstgefälligen Plaketten neben den Werken, die diesen Schund zur neuen Welle des amerikanischen Expressionismus erklärten.
    Das alles sagte viel über die gegenwärtige Kultur aus.
    » Er erwartet Sie jetzt.«
    Assail lächelte in sich hinein und wandte sich um. » Sehr zuvorkommend.«
    Damit traf er durch die verborgene Tür und ging hoch in den zweiten Stock. Er verurteilte seinen Lieferanten nicht. Es war nur natürlich, dass er misstrauisch war und mehr über seinen einzigen und größten Kunden in Erfahrung bringen wollte. Schließlich hatte ein Unbekannter den Drogenhandel von Caldwell binnen kürzester Zeit an sich gerissen und vollkommen umgekrempelt.
    Ja, er konnte die Motive des Mannes verstehen.
    Aber das Schnüffeln würde jetzt und hier ein Ende haben.
    Im zweiten Stock befand sich eine weitere Tür, auch diese

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