Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
ich ein bisschen am Essen. Ich bin sowieso zu dick!«, lachte Peter Nachtigall und las weiter aus dem blauen Buch vor, bis die Schwester ihn aus dem Zimmer scheuchte.
Als er ins Auto stieg, vibrierte sein Handy. Nur gut, dass das nicht im Krankenhaus passiert war. Handyverbot! Und er hatte vergessen das Ding auszuschalten.
»Ja, Michael?«
»Wir waren bei der Zeitung. Sie habe niemanden zu Frau Markwart geschickt. Der Redakteur der Lokalredaktion war der Meinung, die Idee einer solchen Artikelserie sei gut und will das gerne umsetzen. Sackgasse!«
»Tja – ist Emile eigentlich inzwischen aufgetaucht?«
»Ja. Er war in Berlin und hat sich mit der Therapeutin von Friederike Petzold unterhalten. Wenn du jetzt nach Hause fährst, wirst du ihn wohl, wie du dir schon gedacht hast, in deiner Küche treffen! Bis Morgen!«
Emile in seiner Küche – das bedeutete auch Jule würde da sein. Zügig fädelte er sich in den Berufsverkehr ein und fuhr nach Hause.
54
Nach dem Essen wollte Jule mit einer Freundin ins Kino gehen. Die drei Männer blieben im Wohnzimmer auf der Couch zurück. Casanova schnurrte laut, als er sich neben Nachtigall behaglich zusammengerollt hatte.
»Was hat dein Gespräch in Berlin ergeben?«, wollte Peter Nachtigall wissen und schenkte noch Wein nach.
»Das Mädchen hätte eine Behandlung über einen längeren Zeitraum benötigt. Die Kollegin war der Auffassung, eine Therapie hätte sinnvollerweise wohnortnah erfolgen sollen. Der Therapeut hätte jederzeit als Ansprechpartner zu Verfügung stehen müssen. Sie hielt das Mädchen für potenziell gefährlich. Ehrlich gesagt meinte sie, sie sei überrascht zu hören, Friederike Petzold sei ermordet worden. Eher hätte sie vermutet, sie habe einen Mord begangen.«
»Aha. Welche Konsequenzen hat sie aus ihrer Einschätzung gezogen?«
»Keine. Ihre Patientin war nahezu volljährig. Sie informierte sie über ihre Lagebewertung, riet ihr, die Therapie unbedingt fortzusetzen und konnte es doch nicht ändern, dass die Patientin nicht mehr bei ihr erschien. Sie hatte keinen Hinweis auf eine geplante Straftat, also galt Schweigepflicht.«
»Praktisch.«
Dann berichtete er über die neuesten Ermittlungsergebnisse.
»Die Mutter, also. Wie wirst du weiter vorgehen?«
»Wir werden sie morgen abholen und in schwarze Kleidung stecken. Danach wird sie um das Haus schleichen. Vielleicht erkennt einer der Zeugen die Bewegungen wieder. Sie wird vor Frau Markwarts Fenster ein paar Sätze sprechen und wir hoffen, dass unsere Zeugin die Stimme erkennt – oder eben nicht. Außerdem haben wir in Frau Weinreichs Müll ein Papier vom ›Café Lauterbach‹ gefunden. Möglicherweise erkennt einer der Mitarbeiter sie wieder.«
»Und das Motiv? Wenn alle Eltern, die sich über ihre pubertären Kinder ärgern, gleich zum Messer greifen würden, gäbe es wahrscheinlich bald keine nachwachsenden Generationen mehr! Es ist schon ein gewaltiger Unterschied, ob ich im Zorn so etwas sage oder ob ich ein Messer kaufe und losziehe, um meine Tochter langsam verbluten zu lassen. Dazu gehört schon ein Ausmaß an Kälte, das nur schwer vorstellbar ist. Außerdem war sie doch ausgezogen. Das bedeutet doch auch, die Lage hatte sich entspannt. Wenn dann nicht akut etwas Schreckliches passiert, was all den Hass wieder an die Oberfläche spült, kann ich mir eine solche Reaktion eigentlich gar nicht vorstellen.«
»Was, wenn sie auf Umwegen doch von dem Schwangerschaftsabbruch erfahren hat? Könnte das nicht das Schreckliche gewesen sein? Erst all die anderen furchtbaren Dinge und nun auch noch Mord am Enkelkind?«
Emile Couvier lehnte sich zurück und schloss die Augen.
»Ja. Möglicherweise. Darf ich morgen mit ihr sprechen?«
»Ja, aber ich führe das Verhör. Deine Einwände können wir dann im Anschluss besprechen, wenn sie wieder in der Zelle ist. Okay?«
»Ja, verstehe schon. Sie hat doch noch zwei Töchter und einen großen Sohn, glaubst du wirklich, sie hat das Glück dieser drei aufs Spiel gesetzt um sich so dramatisch von ihrer ersten Tochter zu befreien? Sie fährt demnach zu ihrer Tochter hin, schleicht verkleidet ums Haus, wartet auf das Ende der Party und witscht nach dem letzten Gast unbemerkt in die Wohnung. Dort verletzt sie ihre Tochter schwer und wartet darauf, dass sie verblutet. Dann erfährt sie, dass es einen Zeugen gibt. Drei Tage später überlistet sie Frau Markwart. Sie wartet, bis sie sicher ist, dass die alte Frau tot ist und kehrt dann zu
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