Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
genug von dem Genörgel und ist abgehauen.«
»Und sonst?«
»Du bist gut. Alles was sie gemacht hat, führte irgendwann zu echten Problemen. Es konnte einem schon so vorkommen als ob sie den Ärger förmlich anzog. Viele ihrer Freundinnen fragten sie um Rat – warum die glaubten, ausgerechnet Friederike könnte ihnen weiterhelfen, weiß ich auch nicht – aber sie hatte immer ein offenes Ohr. Nur leider löste sie die Probleme mit ihren Ratschlägen nicht, sondern vergrößerte sie oft noch! Dann waren wieder alle sauer und Friederike sagte, ja, es hat dich doch niemand gezwungen, das so zu machen. Sie war so egoistisch! Selbst unser Meister war sauer auf sie. Und der ist nun wirklich dickfellig.«
»Alle Mädchen haben doch so etwas wie eine beste Freundin. Hat Friederike Ihnen vielleicht mal einen Namen genannt?«
»Schon möglich. Warte mal, irgendwie hatte der Name was mit der Werkstatt zu tun. Mann, wie hieß die denn noch gleich? Ach, klar! Lara Meister.«
Michael Wiener notierte sich den Namen, eine Adresse wusste Jacob Hensel nicht. Die würde er schon rauskriegen, dachte sich der junge Ermittler, kein Problem.
»Hatte sie einen Freund?«
»Ja, da war mal einer. So ein großer, schlaksiger Typ mit langen, braunen Haaren, ausgeleiertem T-Shirt und Baggyhosen – keine Ahnung wie der heißt. Aber mit dem ist es schon lange vorbei. Den hat sie einfach abserviert.«
»Wie?«
»Mir hat sie erzählt, er sei bei ihr an der Tür aufgetaucht und sie habe plötzlich das Gefühl gehabt, der sei nun doch nicht der Richtige. Da habe sie ihm gesagt, er solle verschwinden und nie mehr wiederkommen. Einfach so!« Er schnippte mit den Fingern in die Luft.
»Weißt du«, meinte er dann und beugte sich zu Michael Wiener hinüber, »manchmal habe ich gedacht, die kann das gar nicht – eine Beziehung führen meine ich. Wer nicht nach ihrer Pfeife tanzte, wurde abserviert und wer nach ihrer Pfeife tanzte, war ein charakterloses Arschloch und genauso uninteressant. Ständig hatte sie Angst sich eine Blöße zu geben, zum Beispiel wegen dieser blöden Kehrwoche. Sie wollte sich nicht dem Diktat der anderen Mieter unterwerfen, hat sie gesagt. So ein Blödsinn! Oder sie glaubte, der andere wolle sie nur ausnutzen – also hat sie jede ihrer Freundinnen misstrauisch beobachtet. So kann man keine Beziehungen aufbauen.«
»Dann war sie einsam, oder?«
»Ja, das denke ich auch. Bestimmt hat sie deshalb auch dauernd diese Partys gefeiert. Dann war die Bude voll und alle waren nett zu ihr«, erklärte er verbittert. »Ihr habt doch sicher die Fotos gefunden, oder?«
»Sie meinen diese Bilder mit den Drohungen drauf, nicht?«
»Hab ich mir schon gedacht. So genial war das Versteck auch wieder nicht.«
»Hatte sie eine Vermutung, wer ihr diese Schnappschüsse geschickt hat?«
»Ja – klar. Sie hatte diese Familie Peters und diese anderen Frauen in Verdacht. Denen hat sie alles zugetraut.«
»Aber sie hat nie denjenigen gesehen, der sie fotografiert hat?«
»Nein, das war das wirklich Beängstigende an der Sache. Nie! Und es waren nun wirklich ganz intime Fotos – von ganz nah aufgenommen. Als ob ein unsichtbarer Geist in ihrer Wohnung umgeht und ihr auf Schritt und Tritt folgt. Hu!«, er fuhr sich über die Oberarme, als sei ihm plötzlich kalt geworden. »Sie hat ihre Wohnung immer doppelt abgeschlossen und die Fenster kontrolliert. Zumindest seit sie die ersten Fotos bekommen hat. Vorher war sie da ziemlich nachlässig.«
»Es hat sie also ganz schön verunsichert.«
» Klar. Da kriegst du es doch mit der Angst zu tun. Natürlich hat sie immer einen auf cool gemacht. Aber ich lass mich da nicht täuschen. Sie hat angefangen sich hektisch umzudrehen, wenn sie die Straße entlanggegangen ist, jeden neuen Kunden der Werkstatt kritisch beäugt und die Vorhänge in der Wohnung hysterisch zugezogen, wenn sie nach Hause kam. Manchmal saß sie sogar stundenlang im Dunkeln, damit, wer auch immer, sie nicht einmal als Schatten sehen konnte. Das war der reinste Psychoterror, sag ich dir.«
Sie starrten eine Weile vor sich hin. Jeder in seine eigenen Gedanken versunken.
»Warum hat sie die Fotos versteckt? Sie hätte doch damit zur Polizei gehen können.«
»Zur Polizei hatte sie eher ein gestörtes Verhältnis. Und versteckt hat sie die Bilder, damit derjenige, der sie gemacht hat, sie nicht zurückholen konnte – für den Fall, dass sie sie vielleicht doch noch braucht. Wären sie weg gewesen, hätte sie euch gar nichts
Weitere Kostenlose Bücher