Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
und die merken das nicht einmal.«
»Groovi! Du machst Lucifer Angst mit solchen Geschichten. Dann kann er wieder die ganze Nacht nicht schlafen und ich muss auch aufbleiben und ihn streicheln.« Marlins Finger tasteten nach seinem Freund und rieben sich an seiner Nase. Marie grinste. Alle wussten, dass Marlin sich schnell fürchtete.
»Wenn es dann am Mantel hinunterläuft, gibt es lange rote Spuren. Blutrot.«
Groovi nickte wie zur Bekräftigung mit dem gesamten Oberkörper. Dann verfiel auch er wieder in brütendes Schweigen.
Matz räusperte sich. »Und wenn es nun Wolf war?«
21
Michael Wiener fischte mit der Pinzette einen besonders fetten Mehlwurm aus der Dose.
Mit der linken Hand drückte er den sich windenden Wurm fest auf ein Glasbrett, mit der rechten tastete er nach seinem Skalpell. Gekonnt dekapitierte er den hellbraunen Körper und wartete bis das letzte Zucken verebbt war. Dann wiederholte er die Prozedur mit einem zweiten.
Zum Schluss öffnete er die Körper und strich das weißliche Innere heraus. Mit einer Spritze nahm er es auf und erwärmte die Masse kurz in der Mikrowelle.
»Vor dem Abendessen könnte ich es eigentlich noch mal versuchen«, murmelte er, während er dem Drehen des Mikrowellentellers zusah. Entschlossen griff er nach einem kleinen schwarzen Kasten und lief nach draußen.
Peter Nachtigall stand in der Küche und schnitt eine Zwiebel in kleine Würfel. Jule briet in der Zwischenzeit Pilze an. Ein bisschen wehmütig registrierte er, wie selten sie in der letzten Zeit Gelegenheit dazu hatten, etwas gemeinsam zu tun. Auch heute verdankte er das partnerschaftliche Kochen nur dem Umstand, dass Jules Freund, zum Abendessen vorbeikommen würde. Kein Zweifel, seine hübsche Tochter wurde flügge. War auch ganz in Ordnung so, argumentierte der Intellekt, doch die Psyche erwies sich als uneinsichtig und flüsterte ständig von zu früh und das muss doch jetzt noch nicht sein – und von all den Gefahren, von denen eine Hauptkommissarsseele mehr wusste, als eine Mutterseele je befürchten und erahnen konnte.
»Bearbeitest du nicht den Mord an Friederike Petzold?«, unterbrach Jule seine Überlegungen.
»Ja, warum?«
»Weil ich sie kannte.«
Jule nahm das Schälchen mit Tomaten und Zucchini und begann das Gemüse zu schneiden, während Nachtigall seine Zwiebelwürfel in das heiße Fett gab. Es duftete verheißungsvoll.
»Hmmm.« Er schnupperte. »Kanntest du sie aus der Schule?«
»Ja, aber sie ist schon vor ungefähr drei Jahren abgegangen. Sie hat allen erzählt, sie wolle nur eine Auszeit nehmen und das Abitur dann später machen, einen tollen Anstellungsvertrag hätte sie schon unterschrieben.«
»Aha. Weißt du sonst noch was über sie?« Sofort bedauerte er seine Frage. Hatte er denn wirklich gar nichts aus diesem Novemberfiasko gelernt? Jetzt zog er sie auch noch in seine Ermittlungen rein! Aber nun war es zu spät.
»Nur das, was alle wissen. Die war eben einfach durchgeknallt. Nicht ganz in der Spur. Sie war nicht in meiner Klasse, aber ab und zu haben wir uns auf dem Hof getroffen oder in der Mensa.«
»Ach so.« Vorsicht, mahnte er sich, frag nicht weiter. Benutze deine Tochter nicht.
»Na ja, die war so daneben, dass es sogar den Lehrern aufgefallen ist – und dann muss es schon wirklich richtig schlimm gewesen sein.«
»Was meinst du damit?«
»Die hing schon damals mit den Parkys rum. Manchmal kam sie wochenlang nicht zum Unterricht. Selbst ihre Freunde konnten sie dann nicht erreichen. Handy aus, zu Hause war sie auch nicht, die Mutter wusste nicht, wo ihre Tochter abgeblieben war. So genau weiß ich das nicht, sie war zwei Klassen über mir. Von der Schule ist sie trotzdem nicht geflogen. Vielleicht hat sie ja eine Krankschreibung nachgereicht.« Jule zuckte gleichgültig mit den Schultern.
»Einfach so?«
»Na hör mal! Du lebst doch nicht hinter’m Mond! Erzähl mir nicht, du wüsstest nicht, wie einfach es ist ein Attest zu bekommen. Die werden gehandelt, manche Ärzte schreiben dich auch auf Zuruf krank. Kein Problem. Schüler wissen genau, zu welchem Arzt sie im Zweifelsfall gehen müssen.«
»Bist du sicher, dass es so einfach ist?« Zweifel schienen ihm bei solchen Pausenhofprahlereien mehr als angebracht
»Ja, na klar.« Jule nickte energisch und ihre dunklen Locken wippten heftig. Peter Nachtigall war immer wieder von der Anmut seiner Tochter fasziniert – doch seit fast einem Jahr mischten sich unter den väterlichen Stolz dieser deutlich
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