Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
glaubwürdig zu sein. Sie brauchen diesen ganzen Aufstand nur um das Klischee der besorgten Eltern zu bedienen.
Lara hielt sich verborgen und schaltete ihr Handy aus.
Es war toll!
Der Schock saß tief bei den Meisters – und Lara triumphierte. Doch schon bald kehrte wieder Ruhe ein. Ich glaube, diese blöde Kuh weiß bis heute nicht, wie sehr ihre Eltern sie lieben müssen um nach all dem Theater weiter so mit ihr umgehen zu können! Meine hätten mich rausgeschmissen! Vermutlich hätten sie nicht einmal nach mir gesucht. Denen war ich schon immer scheißegal.
Als die Verfolgungen hier losgingen und die ersten Fotos in meinem Kasten steckten, wusste ich, es würde viel einfacher werden, wenn ich nicht mehr allein in dieser Wohnung wohnen würde. Erst wollte ich Jacob fragen – aber der ist nun wirklich ein Freund und ich hatte Angst, wir würden uns schnell in die Haare kriegen, wenn wir uns dauernd sehen müssten. Da fiel mir Lara ein.
Ich hatte sie ein bisschen aus den Augen verloren, aber als ich kurz antippte, warf sie sich sofort wieder an meine Heldinnenbrust. Wir würden zusammenziehen! Ich hätte extra eine Wohnung gesucht, die groß genug für uns beide sei.
So holte ich zum finalen Schlag aus.
Und Lara merkte nicht, wie ich sie leitete. Das Abitur sei nicht so wichtig, sie solle sich doch nicht unter Stress setzen lassen, dazu hätten ihre Eltern gar kein Recht. Schließlich sei es ihr Leben und mit der Fachoberschulreife könne man schließlich auch studieren. Eine Lehre ginge eh immer!
Damit zerstörte ich Papis Traum vom Akademikermädel und stahl Mama das Kind aus dem Nest. Wow!
Und an mich würde sich so schnell keiner mehr nah genug rantrauen um mir gefährlich werden zu können!
Scheiße nur, dass, wer auch immer, jetzt schon da war – so kurz vor Laras Umzug!
30
Donnerstag
Peter Nachtigall war schon früh im Büro und suchte auf seinem Schreibtisch nach dem Namen und der Adresse von Friederikes leiblichem Vater. Gerade als er den Hörer abnahm um ihn anzurufen, wurde die Tür zu Wieners Büro geöffnet und der junge Kollege trat ein. Wieder fiel Nachtigall auf, wie schlecht er aussah. Nachdenklich sah er zu, wie Michael Wiener mit langsamen Bewegungen an seinen Schreibtisch schlurfte und gähnend den Computer hochfuhr.
»Guten Morgen, Michael!«
Wie ertappt zuckte der Angesprochene zusammen und drehte sich um.
»Oh – tut mir leid. Ich dacht, ich wär der Erste. Guten Morgen.«
»Michael, ich möchte gerne etwas mit dir besprechen.«
»Gut.« Der junge Mann setzte sich zu Nachtigall an dessen Schreibtisch und sah seinen Vorgesetzten unbehaglich an. Nachtigall bemerkte die tiefen, dunklen Ringe unter den Augen des anderen, die fahle Gesichtsfarbe, wo doch jetzt, mitten im Sommer, alle recht gut gebräunt waren.
»Ich sehe mit Sorge, dass es dir offensichtlich nicht gut geht. Gibt es für mich eine Möglichkeit dir zu helfen?«
Michael Wiener war überrascht – sah er so schlecht aus, dass die anderen es schon bemerkten? Oder war Nachtigall nur besonders sensibel?
»Du liebe Güte! Trag ich das so deutlich vor mir her?«
»Ärger?«
»Nein, nein. Meine Nächte sind halt im Moment nur ein bisschen kurz – aber in ein paar Tagen kommt meine Freundin wieder von ihrem Praktikum aus Leipzig zurück und dann wird es einfacher.«
»Hmm. Du schläfst schlecht. Einsam?«
»Nein.« Michael Wiener reckte beide Arme gen Himmel, seufzte und begann dann erneut. »Ich muss ein wenig ausholen: Dieses Biologiestudium passt zu meiner Freundin so gut, weil sie sich ständig um alles kümmert, was da so kreucht und fleucht. Das war schon immer so – nur dass se jetzt au no die Möglichkeit hat ihren neuesten Schützling so optimal wie nur möglich z’ versorge, weil sie nun an alle wichtigen Informationen rankommt. Vor ein paar Tage haben wir ein Fledermausbaby gefunden. Natürlich musste die Familie irgendwo in der Nähe sein – aber das Kleine schrie und zitterte und blieb allein.«
»Kann man Fledermäuse schreien hören? Ich denke, die rufen im Ultraschallbereich?«
»Wir haben einen Detektor. Der macht die Töne für menschliche Ohren hörbar. Jedenfalls musste wir das Kleine mitnehme, sonst wär’s sicher gefressen worden. Dummerweise hat nun aber das Praktikum meiner Freundin im Leipziger Zoo ang’fange. Darauf hat sie sich schon seit Monaten g’freut – zwei Wochen bei den Raubtieren. Also versorg ich eben den Findling in der Zeit. Jede Nacht schleich ich rum
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