Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
Die jungen Leute haben einfach nicht mehr genug zu tun heutzutage! In meiner Jugend hatten wir für solche Dinge keine Zeit. Da wurde noch zu Hause mit angepackt und gearbeitet auch. Ich weiß noch, ich musste jeden Monat drei Viertel meines Lohns zu Hause abgeben. Das war bei allen so!«
»Und nun kommt der junge Mann nicht mehr?«
Einen Moment aus dem Konzept gebracht schüttelte Luise Markwart sich und sah ihren Gast ratlos an. Doch dann sprudelte es weiter aus ihr heraus.
»Tja. Irgendwann war wohl Schluss. Erst kam er ein paar Tage nicht und sie war auch kaum zu sehen. Ich hoffte schon, sie sei krank. Aber solche Menschen werden nicht ernsthaft krank, es ist, als ob die Boshaftigkeit alles von ihnen fern hält, meinen Sie nicht? Also jedenfalls kam er eines schönen Tages wieder zu ihr und da gab’s einen Riesenkrach. Den habe ich bis hierher gehört! Später hat mir die Frau Junghans dann erzählt, dass der Typ sie so richtig vermöbelt hat. Er hat dauernd ›Mörderin‹ geschrieen und erst von ihr abgelassen, als das andere Mädchen, das bei ihr zu Besuch war, gedroht hat die Polizei zu rufen. Da ist der Kerl dann abgehauen.«
Sie holte mühsam Luft und fügte hinzu:
»Aber Sie glauben doch nicht etwa, er hätte was mit dem Mord zu tun? Nein, nein! Das wäre völlig verkehrt! Seit der Prügelei war er nie mehr hier in der Straße.«
Das entsprach Udo Wolfs Aussage. Wenn sie wirklich alles im Auge behielt, war das wie ein sicheres Alibi. Aber selbst eine Luise Markwart konnte nicht 24 Stunden am Tag ihre Straße beobachten.
»Nur die anderen kamen noch immer regelmäßig. Aber die haben nie geklingelt. Die liefen, wenn man das so nennen will, nur ums Haus rum und sorgten dafür, dass das Flittchen sie sah.«
»Welche anderen?«
»Ein Ehepaar und zwei Frauen. Sie kamen gemeinsam oder getrennt. Bestimmt an drei Tagen in der Woche schlichen die hier rum. Die Petzold hat sich dann immer unglaublich aufgeregt, hat zum Fenster rausgebrüllt, man solle sie in Ruhe lassen. Aber ich hab nie gesehen, dass einer von denen ihr was getan hätte. Die gingen hier nur auf und ab.«
Also doch. Michael Wiener war zufrieden. Die haben sich eben doch gekannt! Und wenn das so harmlos wäre, hätten es nicht alle vier bestritten. Bestimmt wollten die mit ihren Aussagen verschleiern, dass sie den Mord in Auftrag gegeben hatten.
»Nur kurz? Oder blieben sie länger?«
»Nee, nee. Nicht kurz. Schon auch mal einen ganzen Nachmittag lang. Die kamen immer wieder. Also, ich hab der Frau Gutmann gleich gesagt, da holt das Flittchen wohl die Vergangenheit ein. Aber die wollte mir nicht glauben. Dabei liegt das doch auf der Hand. Bestimmt hat sie bei denen was ausgefressen und irgend so ein mildes Richterlein hat sie laufen lassen! Da haben sie eben wenigstens dafür sorgen wollen, dass sie nicht vergisst, was sie getan hat. Wissen sie vielleicht, worum es da ging?«
»Nein, tut mir leid«, log Michael Wiener.
Er verabschiedete sich höflich von seiner Gastgeberin, die seinen plötzlichen Aufbruch ehrlich bedauerte, hinterließ eine kleine Karte mit der Dienstnummer für den Fall, dass Frau Markwart noch etwas Wichtiges einfiele und verließ ein wenig überstürzt die Wohnung.
Als er an ihrem Fenster vorbeikam, hatte sie ihren Stammplatz bereits wieder eingenommen, schob den Schlüssel wieder unter das Kissen zurück und sah aufmerksam die Straße entlang.
Kaum war sein Wagen um die Ecke verschwunden, wurde Luise Markwart zu ihrer großen Freude erneut angesprochen.
»Hallo, Frau Markwart? Ich bin von der Lausitzer Rundschau und würde gerne mit Ihnen eine kleine Reportage über Ihre Straße machen. Wie lange sie hier schon wohnen, was Sie in den Jahren so Interessantes in dieser Straße erlebt haben usw. Hätten Sie ein bisschen Zeit für mich? Ich habe uns auch ein Stück Kuchen mitgebracht.‹
Ohne Zögern warf sie den Schlüssel hinunter. Wer wusste schon, wann man ihr je wieder so viel Aufmerksamkeit schenken würde. Diese Chance galt es zu nutzen!
31
»Guten Morgen, Frau Weinreich. Dies ist mein Kollege Skorubski. Wir haben noch ein paar Fragen an Sie.«
Sie sah aus, als habe sie geweint. Ihre Augen waren verschwollen und ihre Stimme klang eigenartig fern, als sie die beiden in ihr Wohnzimmer bat. Die Mädchen tobten draußen im Garten mit einem wilden Knäuel aus Fell und Beinen.
Einen Moment sah Nachtigall den Kindern lächelnd zu.
»Das ist Kaluza, der Hund von Friederike.«
»Was für ein seltsamer
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