Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
und suche nach Fledermäusen in dem Bereich, wo wir ihn gefunden haben – aber im Moment ist nichts zu hören. Das Fenster ist offen – der Kleine ruft ja auch. Aber bisher hat ihn noch niemand abgeholt.«
»Und wie fütterst du dein Baby?«
»Mit ausgequetschten Mehlwürmern«, er zuckte mit den Schultern. »Nicht jedermanns Sache. Aber in ein paar Tag kann er sie vielleicht auch schon mit Schale fressen.«
»Na, da bin ich aber froh, dass es nichts Ernstes ist.«
Nachtigall klang wirklich erleichtert, stellte Michael Wiener fest und irgendwie berührte ihn das. Es fühlte sich gut an.
»Ich fühl mal den Freunden so richtig auf den Zahn. Mal sehe, ob sie dann wirklich bei ihrer Aussage für Udo Wolf bleiben«, wechselte der junge Kollege verlegen das Thema.
»Gut. Albrecht und ich fahren noch einmal bei Frau Weinreich vorbei. Wenn du dann noch Namen auf deiner Liste hast, wird Albrecht mithelfen, denn ich werde den leiblichen Vater noch kurzfristig einbestellen – vielleicht schaffen wir das heute noch. Meinst du, der wird uns sagen, dass er seine Tochter vermisst?«
»Eher nicht – schon ziemlich grausig. Da fragt man sich unwillkürlich, ob die Nachwelt wohl bei einem selber auch so vernichtend urteilen würd.«
»Ach, Michael, eh ich es vergesse – diese Lara Meister hat uns noch im Rausgehen einen Namen hingeknallt. Sieh doch mal nach, ob in der Breitscheidstraße eine alte Frau mit dem Namen Markwart wohnt. Die hat angeblich zu jeder Zeit ein Auge auf die Straße und ihre Bewohner.«
»Oh – so eine. Diese Sorte kenn ich. Aber ein Besuch bei ihr könnt sich tatsächlich lohnen – die sind meist erzählfreudig.« Damit stürmte der junge Mann aus dem Büro. Schmunzelnd sah Peter Nachtigall ihm hinterher. Ein Fledermausbaby, also – und er hatte sich schon ernsthaft Sorgen um ihn gemacht, dabei war er eben nur eine Art exotischer Amme für den kleinen Flugsäuger! Na, gut. Dann war ja wenigstens an dieser Stelle seine Sorge unbegründet.
Seine Stimmung hatte sich schon etwas gebessert, als er den Vater Friederikes erreichte.
»Peter Nachtigall, Kriminalpolizei Cottbus. Herr Petzold, ich habe Ihre Sekretärin um Ihre Handynummer gebeten, weil ich mich dringend mit Ihnen über Ihre Tochter Friederike unterhalten möchte.«
»Aha.«
»Am liebsten führe ich solche Gespräche von Angesicht zu Angesicht. Wann wäre es Ihnen denn möglich, zu uns ins Büro zu kommen?«
»Ich möchte nicht in Ihr Büro kommen. Sie haben Glück – ich bin zufällig gerade in Cottbus, um die Vorbereitungen für die Beerdigung meiner Tochter zu treffen. Wieder wurde ein junges Mädchen Opfer eines feigen Überfalls, den die Polizei nicht verhindert hat! Schlafen Sie eigentlich noch gut, Herr Nachtigall?«
»Wenn Sie nicht hierher kommen wollen«, griff Nachtigall den harmlosen Teil der Antwort auf, »dann können wir uns auch gerne irgendwo anders treffen. Allerdings sollte es ein Ort sein, an dem wir ungestört miteinander reden können.«
»Gut. Am Altmarkt gibt es eine Reihe von Cafés. Im ›Dreyer‹ – Sie wissen schon, bei ›Franklin‹ finden wir bestimmt eine ruhige Ecke.«
Bei ›Franklin‹ – er war vor ein paar Jahren der brasilianische Zauberfußballer bei ›Energie Cottbus‹. Nach seiner Karriere hatte er ein Café eröffnet und die Cottbusser tranken nun Latte Macchiato bei ihm. Den offiziellen Namen des Cafés kannten dagegen die Wenigsten.
»In einer halben Stunde?«
Die Antwort des anderen war ein undefinierbares Grunzen, dann war das Gespräch beendet. Na, das konnte ziemlich anstrengend werden, dachte Peter Nachtigall, der Vater gab offensichtlich ihm eine Mitschuld am Tod des Mädchens.
»Frau Markwart. Mein Name ist Michael Wiener, von der Kriminalpolizei. Ich hätte Sie gerne einen Moment gesprochen.«
Misstrauisch betrachtete Luise Markwart den jungen Mann, der zu ihrem Fenster aufschaute. Harmlos sah er aus und eigentlich viel zu jung um bei der Kriminalpolizei zu arbeiten. So junge Menschen sollten dem Tod möglichst aus dem Weg gehen und sich nicht auch noch berufsmäßig damit befassen. Der Ausweis schien, soweit sie das auf diese Entfernung erkennen konnte, in Ordnung zu sein und so warf sie ihm mit einer geübten Handbewegung den Schlüssel zu.
»Ich kann mich nicht so gut bewegen, junger Mann. Es geht viel schneller, wenn Sie zu mir kommen.«
Leicht irritiert betrat Michael Wiener das Treppenhaus, stieg ein paar Stufen hinauf und öffnete die
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