Seelenqual: Peter Nachtigalls zweiter Fall (German Edition)
Auto. Sie schicken sich SMS, das ist besser als telefonieren. Man muss nicht mit dem anderen sprechen.«
»Unsere Tochter schickt auch gerne eine SMS. Zu Neujahr, zum Geburtstag, zu Weihnachten – immer pünktlich. So entledigt sie sich mit wenigen Worten einer Pflicht, wozu sie sonst hätte mehr Geld und Zeit aufwenden müssen, weil ein Gespräch eben nun mal länger dauert. Außerdem muss man nicht einmal mehr selber an den Termin denken – du kannst deinen Grußtext in einen automatischen Verteiler im Internet eingeben und schon bist du alle Sorgen los. Der Automat liefert«, meinte Skorubski verbittert.
»Ärger?«
»Na ja. Meiner Frau geht’s im Moment nicht so gut. Sie wünscht sich mehr Aufmerksamkeit von mir, aber ich bin Polizist. Da ist das mit dem Feierabend eben manchmal nicht planbar. Weißt du, erst hat sie die Freiheit genossen, als die Kinder alle weg waren, aber jetzt leidet sie doch ganz schön. Sie kann nicht loslassen und dann wacht sie plötzlich nachts auf und fragt sich, ob Maik wohl daran gedacht hat einkaufen zu gehen, denn es kommen doch Feiertage. Im Grunde sehnt sie sich danach jemanden zu bemuddeln.« Er seufzte. »Und dann dieses tote Mädchen. Die ganze Zeit über habe ich Panik, mein Telefon könnte klingeln und wir haben ein weiteres Opfer. Ich denke, das werde ich nie mehr los.«
Nachtigall sah ihn besorgt an.
»Brauchst du ein paar Tage Urlaub, Albrecht? Ihr könntet mal wegfahren, entspannen. An der Ostsee zum Beispiel, oder in Skandinavien. Da ist es ruhig, es gibt Natur pur an jeder Ecke und wenn du nicht gerade einen Krimi mitnimmst, hast du für eine gewisse Zeit mit Morden nichts zu tun.«
»Und was wird mit dem Fall? Wir haben so viele Verdächtige, da brauchst du doch jeden Mann zur Unterstützung! Der Michael kann zwar brillant mit dem Computer umgehen, aber sonst ist er doch noch recht unerfahren.«
»Er wird es lernen. Jetzt ist er auch allein bei Frau Markwart. Er ist ein kluger Kopf und ich bin sicher, er weiß genau, worauf es ankommt. Lass mich mal machen. Ich schlage vor, du legst mir deinen Urlaubsantrag auf den Tisch und ich werde sehen, wie wir das deichseln können. Am besten stimmst du deine Frau schon mal ein, wenn du heute Abend nach Hause kommst, damit sie nachher nicht sagt, sie kann dich nicht begleiten, weil sie da einen Termin beim Zahnarzt hat«, er grinste amüsiert.
»Das kann ich nicht«, protestierte Albrecht Skorubski. »Erst, wenn der Fall gelöst ist.«
»Rede keinen Unsinn, Albrecht«, widersprach Nachtigall zornig. »Es gibt immer gerade einen Fall. Nichts da. Ich bringe dich jetzt ins Büro. Dort kannst du dich mit Michael zusammentun, um die fünf Kumpel von Udo Wolf abzuklopfen. Ich treffe mich mit Friederikes Vater. Besprechung wie immer. Und dass ich ja deinen Antrag vorfinde!«, er drohte ihm mit dem Zeigefinger.
»Lass uns erst den Fall zu Ende bringen.«
Nachtigall seufzte.
Meine Güte, würde es ihm auch so ergehen wie Albrechts Frau, wenn Jule endgültig ausgezogen ist und mich mit Casanova allein lässt? Würde er dann womöglich ein Fall für die Selbsthilfegruppe verlassener Väter? Gab es die überhaupt? Seine Fantasie gaukelte ihm bereitwillig Bilder von Männern vor, die im Kreis auf zu kleinen Stühlen saßen, die Haare ungepflegt in ausgeleierten Strickpullovern und echten Wollstricksocken in Birkenstocksandalen, und sich gegenseitig die Ergebnisse ihrer Strickkunst vorführten. Er schüttelte sich bei dieser Vorstellung und beobachtete entsetzt, wie er sich zu einem dieser verwaisten Väter hinunterbeugte und ihm seine Strickarbeit zeigte. Er hörte seine Stimme erstickt flüstern: »Sieh mal hier, Uli, ein ziemlich aufwendiges Jacquardmuster für eine Socke, aber ich habe die ganze letzte Woche daran gearbeitet und bestimmt wird meine Jule sich darüber freuen.«
32
Peter Nachtigall erkannte den Mann sofort. Die Ähnlichkeit mit seiner Tochter war verblüffend. Die gleiche klobige Nase und das kleine Kinn. Er saß in der hintersten Ecke des Cafés und brütete dumpf vor sich hin. Nachtigall gab sich einen Ruck. Er wusste, dieses Gespräch würde sicher nicht unproblematisch verlaufen.
»Guten Tag, Herr Petzold. Mein Name ist Peter Nachtigall.«
Der andere nickte ihm gleichgültig zu.
»Möchten Sie vielleicht noch einen Kaffee?«
»Einen mittleren Cappuccino, bitte«, brummte der Angesprochene ungnädig.
Nachtigall machte kehrt und kam kurze Zeit später mit einem Tablett zurück.
Herr Petzold griff
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