Seelenrächer
habe auf dich gewartet, Pat. Lass uns hineingehen.«
Patrick starrte ihn verblüfft an. »Das geht nicht, Frankie, ich habe einen Termin im Gefängnis.«
»Der kann warten.«
»Was soll das?«
»Dein Termin kann warten, Patrick«, wiederholte sein Bruder stur. »Lass uns hinaufgehen.«
Oben stellte Frank sich ans Fenster und blickte auf den Kanal hinaus. »Das ist ein schöner Platz zum Wohnen«, stellte er fest. »Mitten in der Stadt, mit so einem Blick … du hättest es wesentlich schlechter erwischen können.«
»Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Ich habe wesentlich Schlechteres zu sehen bekommen, das darfst du mir glauben.« Patrick stand neben dem Kamin.
»Was ist los, Frank? Was soll das alles?«
Sein Bruder gab ihm keine Antwort.
»Frank, was ist los? Bist du wegen Eva da? Geht es ihr gut? Habt ihr sie gefunden? Ist alles in Ordnung?«
Frank wandte sich ihm zu. »Ich weiß es nicht, Paddy. Sag du es mir. Ist alles in Ordnung?«
Patrick runzelte die Stirn. »Wovon redest du?«
»Eva. Weißt du, wo sie ist?«
»Natürlich nicht. Wie sollte ich?«
»Moss ist sich da nicht so sicher.«
»Was?« Patrick starrte ihn entsetzt an. Er wirkte regelrecht schockiert. »Wovon sprichst du?«
»Er hat mir erzählt, dass Willie Moore zu deinen Schützlingen gehört.«
Patricks Schultern sackten nach vorn. Mit einem schweren Seufzer ließ er sich nieder. »Das war ja klar«, murmelte er.
»Warum hast du ihm das nicht gesagt, Paddy? Warum hast du es mir nicht gesagt?«
Mittlerweile betrachtete Patrick ihn kopfschüttelnd. »Mein Gott«, sagte er, »ich glaube das einfach nicht. Eine Frau wird vermisst – und zwar nicht irgendeine beliebige Frau, sondern eine gute Freundin, die ich schon seit zwanzig Jahren kenne –, und nun sagst du mir, dass ihr mich verdächtigt?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
»Aber gemeint.«
»Warum hast du Maggs besucht, als er in Untersuchungshaft saß? Und warum hast du niemandem davon erzählt?«
»Das war kein Freundschaftsbesuch. Gefangene zu betreuen ist mein Beruf, Frank. Ich war gerade in Mountjoy, und er hat um ein Gespräch mit mir gebeten. Lieber Himmel, ich war höchstens fünf Minuten bei ihm.«
»Es ist nirgendwo vermerkt.«
»Warum auch? Es handelte sich um ein ganz kurzfristig eingeschobenes Gespräch. Eigentlich war ich wegen anderer Insassen dort.«
»Hast du da denn keinen Interessenskonflikt gesehen? In Anbetracht der Tatsache, dass sein Schicksal unter anderem von deiner Zeugenaussage abhing?«
»Das Verfahren wurde eingestellt, Frank, und zwar lange, bevor ich auch nur in die Nähe des Zeugenstandes kam.«
Frank starrte ihn an. »Was hat er zu dir gesagt? Hat er dich beschuldigt, Mary Harrington ermordet zu haben?«
»So was in der Art, glaube ich. Ich kann mich nicht mehr genau erinnern.«
»Und du hast dem keine größere Bedeutung beigemessen?«
»Es war typisch Maggs, Frankie. Sein übliches dummes Geschwätz.«
»Und?«
»Was?«
»Hast du sie ermordet? Mary Harrington?«
»Mein Gott, Frankie.«
Sein Bruder warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Eva lebt noch, Paddy. Es bleibt noch genug Zeit, um sie zu retten. Falls du irgendetwas weißt – was auch immer –, dann musst du es mir sagen.«
Patrick war aufgesprungen. »Herrgott noch mal!«, stieß er hervor. »Ich glaube einfach nicht, dass wir dieses Gespräch tatsächlich führen!«
»Deine Flüche kannst du dir sparen! Hast du mich verstanden?«, fuhr Frank ihn an. »Ich muss mir schon genug gottloses Gerede anhören. Da brauchst du nicht auch noch einzustimmen.«
»Frank!« Patricks Blick wirkte plötzlich sehr wütend. »Weißt du eigentlich, wie du klingst? Du solltest dich mal hören! Du bist mein Bruder, nicht mein Dad – und trotz allem, was du für mich getan hast, auch nicht meine Mam. Aber du kannst einfach nicht anders, oder? Das geht nun schon mein ganzes Leben lang so, und es nimmt kein Ende. Ständig verschaffst du dir mit deinem Schlüssel Zutritt zu meiner Wohnung und schnüffelst hier herum. Ständig sagst du mir, was ich zu tun habe und wann. Wenn ich unterwegs bin, machst du dir Sorgen. Dabei warst du doch derjenige, der mich in St. Boniface zurückgelassen hat. Weil du es kaum erwarten konntest, loszuziehen und einen auf wichtig zu machen. Woher nimmst du überhaupt das Recht, mir Vorschriften zu machen? Woher nimmst du das Recht, mir diese Fragen zu stellen? Ich weiß nicht, was mit Eva passiert ist, und ich weiß auch nichts über Mary.«
»Ich stelle dir
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