Seelenrächer
diese Fragen wegen Willie Moore und Karen Brady und wegen Janice Long. Und ich habe durchaus das Recht dazu. Denk daran, was für ein Leben du hattest, als wir Kinder waren.«
»Passe ich deswegen ins Täterprofil, Frank? Willst du darauf hinaus?« Patrick trat ganz nahe an ihn heran. »Ich hätte nie ein solches Geheimnis aus der Vergangenheit gemacht, wenn dir nicht so viel daran gelegen gewesen wäre. Du bist doch derjenige, der diesen ganzen Mist erfunden hat: dass wir aus Dublin sind und unsere Eltern in Dubai leben. Ein alter Herr, der in der Ölbranche arbeitet, obwohl er gar nicht existiert!« Er wandte sich dem Foto ihrer Mutter zu. »Nur, um gut dazustehen. Damit einen alle akzeptieren. Was auch immer. Zum Teufel damit, Frank! Letztendlich war doch ich derjenige, dessen Anblick sie nicht ertragen konnte, aber mir war das scheißegal!«
»Du hast gewusst, dass Mary Harrington schwanger war«, rief Frank ihm ins Gedächtnis. »Du hast mit Maggs gesprochen und die Ehemänner von Karen Brady und Janice Long im Gefängnis besucht.«
»Und?«
»Das sieht nicht gut aus, Paddy.« Frank betrachtete das Foto. »Außerdem hast du unsere Mam gehasst. Du hast sie genauso verachtet wie sie dich. Sie hat gesagt, du hättest den Teufel im Leib.«
Patrick lachte laut auf. »Ach du lieber Himmel! Das hat mir gerade noch gefehlt, dass du mir jetzt auch noch auf die religiöse Tour kommst. Es gibt keinen Teufel, Frank. Es gibt keinen Gott, keine jungfräuliche Empfängnis, keine M…«
Frank fiel ihm ins Wort. »Keine perfekte Mutter, Patrick? Ist es das, was du mir sagen willst?« Er starrte ihn einen Moment an. »War das der Grund für das, was du getan hast, bevor du St. Boniface verlassen hast? Was für eine Schändung, Patrick: die heilige Muttergottes.«
Mittwoch, 3. September, 09:30 Uhr
Quinn und Doyle saßen gegenüber von Dr. Liam Ahern in dessen Büro mit Blick auf die O’Connell Bridge.
Der forensische Psychiater – ein Mann in den Vierzigern, mit blauen Augen und ziemlich langem Haar – konnte es mit jeder anderen Koryphäe seines Fachbereichs aufnehmen. Er arbeitete in Großbritannien und Amerika. Er beriet Gerichte und ermittelnde Beamte in Australien, Neuseeland, Südafrika und vielen europäischen Ländern. Er hatte sogar beim FBI in Quantico einen Fuß in der Tür, war jedoch in Dublin geboren und arbeitete am liebsten in diesem Büro mit Blick auf die Straßen einer Stadt, die einmal die zweitwichtigste des Britischen Weltreichs gewesen war.
Die irische Garda musste seine Hilfe nicht allzu oft in Anspruch nehmen, auch wenn man ihn schon ein paarmal damit beauftragt hatte, Leute zu beurteilen, die Opfer von Kindesmissbrauch durch katholische Geistliche geworden waren.
Quinn kannte ihn, seit er mit ihm Gespräche über die fünf vermissten Frauen geführt hatte. Anschließend hatte Dr. Ahern ein Täterprofil für ihn erstellt.
Der Psychiater, der unter seinem Designerjackett ein Hemd mit offenem Kragen trug, lehnte sich in seinem handgefertigten Ledersessel zurück. »Sprechen wir über Ihre Frau, Moss?«
Quinn erwiderte seinen Blick. »Ist es denkbar, dass ein Mann mit einem Profil, wie wir es besprochen haben, Eva in einem ähnlichen Kontext sehen könnte wie die anderen Frauen?«
»Das ist denkbar, ja. Vorausgesetzt, der Betreffende wusste, dass Sie beide getrennt leben – wozu die Initiative ja wohl von Ihrer Frau ausgegangen war, wenn ich Sie richtig verstehe. Insofern könnte eine Person mit einer entsprechenden Denkweise sie durchaus in diese Reihe stellen.«
»In zwei von den anderen Fällen«, fuhr Quinn fort, »verbüßten die Väter in Mountjoy eine Gefängnisstrafe. Beide Frauen wollten sich scheiden lassen, Liam, erinnern Sie sich? Bei mir und Eva liegt der Fall nicht ganz unähnlich, oder?«
»Wie ich gerade gesagt habe, Moss«, antwortete Ahern, während er ihn eindringlich musterte, »bei einer Person mit einer derartigen Denkstruktur ist das durchaus möglich. Im Übrigen mache ich mir um Ihre Frau genauso große Sorgen wie alle im Land. Was haben Sie herausgefunden, wovon ich nichts weiß?«
Quinn beugte sich vor. »Eine Frau bringt zwei uneheliche Söhne zur Welt. Sie tötet und verscharrt sie. Auf dem Weg nach Hause sieht sie zwei Jungen spielen und sagt zu ihnen, wenn sie ihre Kinder wären, würde sie ihnen schöne Sachen anziehen und sich um sie kümmern. Die Jungen antworten ihr, sie habe sich nicht um sie gekümmert, als sie ihre Kinder waren . Stattdessen habe sie
Weitere Kostenlose Bücher