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Seelenrächer

Seelenrächer

Titel: Seelenrächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G O'Carroll
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Mauer.
    »Jug«, rief er hinunter, »hast du mal wieder mit den Bullen geplaudert, du alte Eiterbeule?«
    Für einen Moment starrte Uttley mit offenem Mund zu ihm hoch. Dann warf er einen raschen Blick nach links und rechts, aber abgesehen von ein paar Obdachlosen, die ein Stück weiter vorne mit mehreren Flaschen Cider dasaßen, war der Weg menschenleer.
    Mit einem athletischen Sprung setzte Maggs über die Mauer und schlitterte die Uferböschung hinunter. Wenige Sekunden später stand er dem Informanten von Angesicht zu Angesicht gegenüber und stieß ihn zurück auf die Bank.
    »Sag mal, Jug, was fällt dir ein, Sergeant Doyle bei mir vorbeizuschicken?«
    Uttley schüttelte heftig den Kopf. Hinter seinen dicken Brillengläsern mit dem schwarzen Rand hatte er die Augen vor Angst weit aufgerissen. »Ich habe ihn nicht vorbeigeschickt! Mein Gott, ich wusste doch gar nicht, dass du hier bist!«
    In seiner Wut hatte Maggs ihn am Kragen gepackt. Erst jetzt bemerkte er, dass die Kleidung des alten Mannes völlig verdreckt war und ziemlich streng roch. Vor lauter Ekel hätte er ihn beinahe wieder losgelassen. Der Atem des Alten stank ranzig – und nach Whiskey.
    »Ich schwöre es! Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass du in London bist«, stotterte Uttley, »und dass du bekehrt worden bist und jetzt gute Werke tust. Bekehrt vom Blut Jesu!«
    »Ich gebe dir gleich das Blut Jesu, du hässliche Missgeburt! Nun spuck es endlich aus, oder ich prügle es aus dir heraus, das verspreche ich dir!«
    »Ich habe nichts gesagt!«, heulte Uttley. »Ich habe zu keinem was gesagt! Ich habe doch gar nicht gewusst, dass du hier bist!«
    Maggs packte ihn noch fester. »Ich bin ein Mann Gottes, Jug, kein Mann der Gewalt, aber bei dir könnte ich mich vergessen und eine Ausnahme machen …«
    »Lieber Himmel, jetzt lass mich doch bitte …«
    »Raus mit der Wahrheit!«
    »Also gut, also gut! Jemand hat mir was geflüstert, und da habe ich mit Mr. Doyle gesprochen. Heilige Muttergottes, ich brauchte eben ein bisschen Kleingeld, und passieren konnte dir doch sowieso nichts, oder? Nachdem bekannt war, was er beim letzten Mal mit dir gemacht hat – da war mir doch klar, dass er dich nicht mehr anrühren würde!«
    »Wie viel hat er dir bezahlt?«
    »Dreißig Euro.«
    »Wie viel, habe ich gefragt!« Maggs schüttelte ihn heftig. »Wie viel, Jug? Wie viele Silberlinge?«
    »Also schön, fünfzig.«
    »Her damit.«
    »Das war doch schon gestern. Ich habe alles ausgegeben.«
    »Her damit, oder du landest im Kanal!«
    »Meinetwegen, wenn es unbedingt sein muss, aber du bist wirklich ein Hurensohn, das kann ich dir sagen.«
    Mit einem wütenden Ruck befreite er sich aus Maggs’ Griff, wühlte kurz in seiner Tasche und zog dann ein Bündel Geldscheine heraus. Doch ehe er Maggs einen Fünfziger geben konnte, hatte der sich bereits das ganze Bündel geschnappt.
    »Mann, könntest du vielleicht mal einen Gang zurückschalten? Das ist alles, was ich habe, Conor. Du hast mir mein ganzes Geld genommen.«
    »Ruf doch deinen Kumpel Doyle an und heul ihm vor, dass du ausgeraubt worden bist.« Maggs stopfte die Scheine in seine Tasche. »Das ist deine Strafe, weil du mich verraten hast. Und nun verschwinde, aber schnell. Du hast Glück, dass ich heute gut aufgelegt bin, sonst könntest du jetzt deine sämtlichen Einzelteile vom Weg aufsammeln.«

Dienstag, 2. September, 16:25 Uhr
    Durch all die Erinnerungen in Aufruhr versetzt, stieg Frank Maguire über den Stapel Briefe hinweg, die hinter der Wohnungstür seines Bruders auf dem Boden lagen. Er musste an ihr letztes Gespräch denken und ließ die Post liegen. Wieder tauchten vor seinem geistigen Auge Bilder aus Kindertagen auf: der heruntergekommene Wohnblock, der Innenhof voller Müll, die hässliche Betontreppe, die zu ihrer Wohnung hinaufführte. Auf dem Hof standen ein paar Kinderschaukeln, auf denen man aber nicht mehr schaukeln konnte, weil die Sitze von den Ketten gerissen worden waren. Die älteren Jungen nutzten die herabhängenden Kettenglieder, um kleinere Kinder daran festzubinden. Frank wusste noch genau, wie er eines Tages beim Nachhausekommen drei von ihnen dabei erwischt hatte, wie sie gerade seinen Bruder festbanden. Er hatte den Anführer mit einer dicken Lippe nach Hause geschickt und Pat nach oben getragen.
    Seit Frank erwachsen war, achtete er darauf, dass niemand von dieser Vergangenheit erfuhr: In seinem beruflichen Umfeld – besser gesagt, in seinem ganzen Umfeld – gingen die

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