Seelenrächer
Da erzählst du mir nichts Neues. Das steht in den Gefängnisunterlagen. Es ist kein Geheimnis.« Kopfschüttelnd fuhr er fort: »Lieber Himmel, und ich habe dir auch noch Geld gegeben. Tu uns einen Gefallen, ja? Halt in Zukunft nicht mehr nach mir Ausschau, wenn du schon einen über den Durst getrunken hast.«
»Das ist noch nicht alles, Mr. Doyle. Da wäre noch etwas.«
»Nämlich?«
»Er hat nicht nur mit den beiden schweren Jungs gesprochen. Patrick hat auch mit der Made geredet.«
Nun starrte Doyle ihn verblüfft an.
»Das war eigentlich der Punkt, auf den ich hinauswollte. Ist das nicht ein Witz? Der Bruder des Superintendent besucht Conor Maggs in der Untersuchungshaft. Ich meine, das ergibt doch keinen Sinn, oder? Schließlich wusste Maggs, dass Patrick vor Gericht gegen ihn aussagen würde.«
»Von wem hast du das?«
»Vom Crawthumper, Mr. Doyle. Dem Typen, der für Lorne McGeady die Bücher frisiert hat.«
Dienstag, 2. September, 19:15 Uhr
Die kleine Glaubensgemeinde in Harold’s Cross war kaum mehr als eine Bibelgruppe, aber Jane gehörte zu den Gründungsmitgliedern, zusammen mit dem selbsternannten Pastor Ray Kinsella. Nachdem Maggs seinen offenen Brief aus Mountjoy geschrieben hatte, war Jane diejenige gewesen, die ihn der Gruppe vorgelesen hatte. Dann waren sie alle gemeinsam übereingekommen, sich seiner Sache anzunehmen.
Kinsella verfügte über Kontakte in London. Seiner Meinung nach hatten sowohl Maggs als auch Jane Geschichten zu erzählen, die andere dazu inspirieren würden, sich ihrer Gemeinde anzuschließen. Er brachte die beiden für eine Weile bei einer anderen Gruppe in Muswell Hill unter, damit sich der Staub, den der Prozess aufgewirbelt hatte, ein wenig legen konnte, aber sein Plan war von vorneherein, sie nach Dublin zurückzuholen.
Kinsella war jünger als Maggs, etwa in Janes Alter, jedenfalls nicht älter als dreißig, ein kleiner Mann mit bereits etwas schütterem Haar und Designerbrille. Er trug Schlagjeans und spitze Schuhe, und er krempelte seine Hemdsärmel an den Manschetten einmal um, die Innenseite nach außen.
Nun waren sie alle versammelt: eine noch ganz junge, aber höchst lebendige Gemeinde. Wenn sie sich trafen, wurde immer viel gesungen, geklatscht und getanzt.
Gleich sollte ihre Gebetsstunde beginnen, doch vorher bat Maggs, ein paar Worte sagen zu dürfen.
»Ihr müsst verstehen«, erklärte er, »dass in Anbetracht der Tatsache, dass ausgerechnet Inspector Quinns Frau entführt wurde, mit meiner Befragung zu rechnen war.« Er musterte die Gruppe prüfend. Versammlungsort war eine Schulaula in der Nähe des Franziskaner-Hospizes. »Ihr habt mich bestimmt alle im Fernsehen gesehen, die Aufnahmen werden ja ständig wiederholt, und ihr wisst auch alle, was passiert ist, als ich vor Gericht stand.« Er schenkte seinen Zuhörern ein gütiges Lächeln. »Aber wie ich schon an jenem Tag gesagt habe, trage ich der Polizei nichts nach, denn wäre das mit Doyle damals nicht passiert, dann hätte ich wohl auch mein Erlebnis in Rathmines nicht gehabt.«
»Amen!«, rief eine der jüngeren Frauen.
Maggs warf ihr einen raschen Blick zu. »Bedauerlicherweise ist die Polizei noch immer der Meinung, ich wäre verantwortlich für das, was Mary Harrington widerfahren ist. Offenbar wollen diese Leute nicht einsehen, dass mein sogenanntes ›Geständnis‹ nur deshalb so überzeugend war, weil Joseph Doyle es selbst verfasst hatte. Es ist ein trauriges Symptom für den Zustand unserer Gesellschaft, dass die Polizei nicht zugeben kann, einen Fehler begangen zu haben, geschweige denn zu einer ernst zu nehmenden Entschuldigung fähig ist. Deshalb möchte ich euch noch ein paar erklärende Worte dazu sagen, damit ihr Bescheid wisst, wie das alles vonstatten ging: Als ich befragt wurde, war kein Rechtsbeistand anwesend, und ich wurde auch nicht über meine Rechte aufgeklärt. Ich sagte den Beamten, dass ich nichts dagegen hätte, mit ihnen zu sprechen. Ganz im Gegenteil, ich sah darin eine gute Gelegenheit, meinen Namen reinzuwaschen.«
An der Stelle ergriff er Janes Hand und fuhr mit einem herzlichen Lächeln fort: »Ihr sollt außerdem alle wissen, wie treu mir diese Lady zur Seite gestanden hat. Sie kann bezeugen, dass ich ziemlich schockiert reagiert habe, als die Meldung über die Entführung in den Nachrichten kam. Mir war klar, dass die Polizei vor meiner Tür stehen würde, sobald sie von meiner Anwesenheit in Irland erfuhr, und vor diesem Moment habe ich mich sehr
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