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Seelenraub

Seelenraub

Titel: Seelenraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Oliver
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ihnen stand plötzlich zwischen uns. Simon rief mir zu, wegzulaufen, und da hat das Viech sich auf ihn gestürzt. Wenn er nichts gesagt hätte …«
    Dann hätte es mich an seiner Stelle erwischen können.
    Das wäre in Ordnung gewesen. Besser, als zusehen zu müssen, wie das Ding ihm wie eine Riesenkatze die Klauen in den Bauch bohrte, ihn aufschlitzte und aufriss; zu sehen, wie Simons Blut in einem feinen roten Nebel in die Luft spritzte.
    Die Erinnerung ließ sie erschaudern, und der Becher in ihrer Hand zitterte. »Ich habe mit einem Stuhl auf das Ding eingeschlagen, und dann hat einer der Fänger Simon rausgetragen.«
    Das war bei weitem nicht alles, was geschehen war, doch sie erzählte ihnen nichts von den anderen Dämonenfängern – von denen, die verbrannt oder in Stücke gerissen worden waren. Ethan, Morton, Collins … so viele.
    Mr Adler berührte sanft ihre Hand und riss sie aus den düsteren Gedanken. Riley blickte dem Vater ihres Freundes in die Augen. In dreißig Jahren würde Simon genauso aussehen. Er würde auch im Alter noch attraktiv sein, vorausgesetzt, er lebte lange genug.
    »Es ist nicht deine Schuld«, sagte er leise.
    Ich wünschte, ich könnte das glauben.
    »Die Ärztin der Zunft sagt, jemand hat die Wunden meines Sohnes mit Weihwasser behandelt, darum haben sie sich nicht entzündet«, sagte seine Mutter. »Die Chirurgen haben ihn wieder zusammengenäht, und man hat uns erzählt, dass er sich wirklich schnell erholt.«
    »Das liegt am Weihwasser.« Vorausgesetzt, die Wunde stammte von einem Höllendiener.
    »Sie wissen nicht, was sie davon halten sollen, dass sein Gehirn wieder arbeitet«, fuhr seine Mutter fort. »Vater Harrison hält es für ein Wunder.«
    Das ist die Wahrheit
. Wenn Riley die Bedingungen des Himmels nicht akzeptiert hätte, würde die Familie ihres Freundes jetzt Vorbereitungen für seine Beerdigung treffen.
    »Er war letzte Nacht so mutig.« Riley schwoll das Herz bei der Erinnerung daran. »Er ist kein Stück zurückgewichen.«
    »Klingt ganz nach unserem Sohn«, sagte sein Dad und lächelte seiner Frau matt zu. In seinen müden Augen glitzerten Tränen.
    »Er ist wirklich nett«, sagte Riley und kam sich gleich darauf albern vor. Das wussten sie doch.
    »Er mag dich sehr«, erwiderte sein Dad. »Er lächelt immer, wenn er deinen Namen sagt.«
    Darauf antwortete Riley nichts. Wenn sie noch ein einziges Wort sagte, finge sie an zu weinen, und sie war sich nicht sicher, ob sie jemals wieder würde aufhören können. Der lebhafte kleine Junge kam erneut zu ihr geschwankt. Mit seinem pummeligen Händchen tätschelte er ihr Knie.
    Riley beugte sich vor und umarmte ihn, fühlte den warmen Atem an ihrer Schulter. Die Tränen kamen trotzdem. Jeder aus Simons Familie nahm sie in den Arm und drückte sie. Alle sagten, sie würden für Riley beten.
    Als wäre ich eine von ihnen.

    Simons Krankenzimmer war nicht mehr so mit Technik vollgestopft wie am Morgen. Der Apparat, der ihm beim Atmen geholfen hatte, war verschwunden, und stattdessen war nur noch das leise Zischen eines Sauerstoffgeräts zu hören.
    Im welligen blonden Haar ihres Freundes entdeckte Riley getrocknete Blutflecken. Seine umwerfend blauen Augen waren geschlossen, und er atmete tief und ruhig, genau wie in der Nacht, in der er auf dem Friedhof eingeschlafen war. Jener Nacht, in der er sie festgehalten hatte, als sie um ihren toten Vater geweint hatte.
    Hätte der Himmel ihn sterben lassen, wenn ich nein gesagt hätte?
    Sie hörte ein leises Stöhnen aus Richtung Bett. Beide Hände und Arme von Simon waren bandagiert, und ehe sie es verhindern konnte, tauchte das Bild, wie er versuchte, die scharfen Krallen des Dämons abzuwehren, in ihrem Kopf auf.
    Vorsichtig nahm sie eine Hand in ihre. Mühsam öffnete Simon die Augen.
    »Hallo«, sagte sie. Schließlich blieb sein Blick auf ihrem Gesicht ruhen, und er sah sie verwirrt an.
    »Wasser«, krächzte er.
    Riley schaute sich um, bis sie ein Glas mit Eis auf dem Nachttisch fand. Sie erinnerte sich daran aus der Zeit, als ihre Mom krank war, und nachdem sie an der elektronischen Fernbedienung herumgefummelt hatte, um Simon in eine aufrechte Position zu bringen, steckte sie ihm vorsichtig ein Stückchen Eis in den Mund. Er schluckte es, doch seine blutunterlaufenen Augen waren unablässig auf sie gerichtet. Nach drei weiteren Stückchen schob er den Löffel beiseite, und sie stellte das Glas zurück auf den Tisch.
    »Riley«, flüsterte er.
    »Du hast mir

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