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Seelenschacher

Seelenschacher

Titel: Seelenschacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mucha
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alles Wiener sind?«
    »Wer?«
    »Na, die Alchimisten.«
    Shahin schaute mich verdattert an.
    »Welche Alchimisten denn?«
    »Na, die im Forum.«
    »Ach so. Weil ich einen von denen kenne. Der hatte so ’ne Signatur unter seinen Postings, die mir bekannt vorkam. Da hab ich ihm eine PM geschickt, und es stellte sich heraus, dass wir uns realiter kennen.«
    »Von wo?«
    »Von den Feldgrau-Foren.«
    »Wehrmacht?«
    »Hmm. Haben paarmal gemeinsam ein Bier getrunken. Völlig kirre, der Typ. Er sagte, dass fast alles Wiener sind.«
    »Also gibt’s in Wien eine Alchimistenszene. Lauter kleine graue Männer, paranoid wie Newton, basteln sie an ihren Maschinen, während Mutti im Nebenzimmer häkelt.«
    »Genau. Da gibt’s noch mehr. Ich hab meinen Bekannten getroffen und der hat mir was gesteckt. Er bastelt selber nicht, liest nur so mit. Vor einiger Zeit, da kam eine richtige Aufbruchsstimmung in die Szene, weil ein Investor auftauchte.«
    »Ein Investor? Der letzte Investor in der Alchimistenszene war Kaiser Rudolph in Prag, der einen von den Typen zum Finanzminister gemacht hat. Vor knapp 400 Jahren.«
    »Das war noch ein Politiker mit Visionen.«
    »Wenn’s funktioniert hätte …«
    »Jaja.«
    »Also, du willst mir erzählen, dass da wer versuchte, in die Bastler zu investieren.«
    »Genau. Die haben ja alle kein Geld und manchmal steht alles für ein Jahr still, weil sich einer 500 Meter Kupferdraht oder solche Kleinigkeiten nicht leisten kann. Mit einem Mal hatten alle Kohle, ein bisschen jedenfalls. Die Szene hat Riesensprünge gemacht.«
    »Aber als das nichts wurde, die Ergebnisse auf sich warten ließen, gab der Typ auf, und jetzt sind wieder alle pleite.«
    »Genau.«
    »Weißt du, wie der Investor heißt?«
    »Nein, hab meinen Freund auch gefragt, der kann sich jede Panzerschraube merken, aber Namen? Keine Chance.«
    »Kann ich den mal treffen?«
    »Wenn ich mitgeh, vielleicht. Glaub nur nicht, dass das viel bringt.«
    »Nicht so schlimm. Werd ich mich einfach mal unter den Alchimisten umhören. Da wird sich schon noch einer erinnern können.«
    »Wenn man sein Leben neben Töpfen verbringt, die mit kochendem Quecksilber gefüllt sind, ist das zweifelhaft.«
    »Das war früher. Ich bin mir sicher, das ist mit den Alchimisten dasselbe wie mit den Hexen. Heutzutage ersetzen die veganen Hexen Froschlaich für die Flugsalbe auch durch Quinoa.«
    »Woher hast du das?«
    »Hagezussa TV.«
    »Wassn das?«
    »Die Hexensendung im freien Fernsehen. Kommt nach Mehmet Keser Show und vor New Ordner.«
    »Hast du Fernsehen?«
    »Nein, aber ich bin trotzdem up to date.«
    Wir schütteten den Rest, der in der Thermoskanne verblieben war, noch in unsere Mägen, dann machte ich mich auf den Weg. Zwar mit schon ziemlich getrübtem Bewusstsein, aber glücklich.
    Endlich eine weiterführende Spur. Mein nächstes Ziel war Buehlin, der würde todsicher noch wissen, wer da investiert hatte. Er war zwar auch durchgeknallt, jedoch schon noch von dieser Welt. Die Fahrt dauerte, und da ich in meiner Hochstimmung nicht länger warten wollte, holte ich mein Handy raus und wählte eine Nummer.
    Eugen war damals aus Wien weggezogen, weil ihn der Ruf einer Anwaltskanzlei aus dem fernen Liechtenstein erreicht hatte. Gesucht wurde ein verlässlicher Mann als Aktenvernichter. An denen herrscht im kleinen Fürstentum stets Bedarf, aber nach der großen Finanzkrise versuchen noch mehr als sonst, ihre Spuren zu verwischen. Und da die EU auch langsam Druck auf das Bankgeheimnis macht, laufen die Shredder 7-24.
    Eugens Job bestand darin, mit ID Card das Gebäude am Hauptplatz von Vaduz zu betreten, nach Gesichtskontrolle hinauf in den dritten Stock zu fahren und sich dort den Wagen zu schnappen. Das dritte Stockwerk ist ganz aus Glas und bietet einen herrlichen Blick auf das Fürstenschloss und die Südwest-Schulter der Drei Schwestern. Mit dem Wagen geht Eugen dann zum Tresor, öffnet dort mit einem Code, der täglich geändert wird, das Schloss. Er hat dann 8,75 Sekunden Zeit, um den Tresorraum zu betreten und die Tür hinter sich zu schließen. Sonst wird ein Alarm ausgelöst. Der ganze Tresorraum besteht aus glänzendem Edelstahl. Dann hat er 42,31 Sekunden Zeit, um aus den vorherbestimmten Fächern die Akten auf seinen Wagen zu schlichten und die Tür wieder zu öffnen. Sonst wird ein Alarm ausgelöst. Anschließend hat er wieder 8,75 Sekunden Zeit, um die Tür zu öffnen und zu schließen. Widrigenfalls wird Alarm gegeben. Dann schiebt er

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