Seelensplitter - Marionette des Schicksals (German Edition)
Augen sind Sie nicht mehr als ein
machthungriger Aufschneider, der mit lächerlichen Parolen um
sich wirft.“ Ein Teil von ihr konnte kaum glauben, dass sie das
gerade wirklich gesagt hatte. Die Müdigkeit, die Erschöpfung
und der Hunger machten etwas aus ihr, das sie nicht sein wollte. Sie
bereute ihre Worte aber auch nicht, denn es war schließlich die
Wahrheit, die sie gesagt hatte.
Der grauhaarige Dämon
schien nicht mit einer solchen Antwort gerechnet zu haben. Sein
runzeliges Gesicht drückte vollkommene Fassungslosigkeit aus.
Dann legte sich ein trauriger, nahezu gequälter Zug um seine
Lippen. „Das ist…ich hätte wohl…ich danke
Ihnen, Melica. Es bedeutet mir viel, dass Sie ehrlich zu mir sind.
Nur diese Antwort…sie tut nun doch etwas mehr weh als
erwartet.“
Obwohl Melica wusste, dass
es eigentlich ungerechtfertigt war – das eklige, beißende
Gefühl von Schuld keimte in ihr auf und ließ ihr Herz
schwer werden. „Es tut mir leid“, murmelte sie nahezu
tonlos.
„ Das muss es nicht,
meine Liebe“, beruhigte Gregor sie und blickte sie freundlich
an. „Ich hätte nicht fragen sollen. Doch nun, wo wir
darüber gesprochen haben – geben Sie mir bitte die
Möglichkeit, das Bild, das Sie sich von mir gemacht haben, ein
wenig zu verändern. Warum genau bezichtigen Sie mich der
Aufschneiderei? Ich kann mich nicht erinnern, jemals etwas von mir
gegeben zu haben, das nicht der Wahrheit entsprach.“
Melica warf ihm einen
ungläubigen Blick zu. „Und warum behauptet Jonathan dann,
Sie wären Kleopatras Sohn?“
„ Aus einem völlig
naheliegenden Grund: weil ich Kleopatras Sohn bin“, antwortete
Gregor, leichte Überraschung schwang in seiner Stimme mit.
Melica verdrehte die Augen
und richtete sich so auf, dass sie in einer etwas eindrucksvolleren
Haltung vor Gregor saß. Mit geradem Rücken und locker
übereinandergeschlagenen Beinen thronte sie nun auf ihrem Bett,
den Blick fest auf Gregors faltiges Gesicht gerichtet. „Ich
kann nicht wirklich verstehen, warum sich die anderen Schattenkrieger
derartig leichtgläubig hinters Licht führen lassen. Bei mir
haben Sie jedoch nicht so leichtes Spiel. Denn zufällig weiß
ich, dass die Römer Caesarion oder auch Ptolemaios, Kleopatras
wahren Sohn, hinrichten ließen, als dieser gerade einmal 16
Jahre alt war. Selbst wenn Sie zu diesem Zeitpunkt ein Dämon
gewesen sein sollten und deshalb weiterleben konnten – Sie sind
keine 16 Jahre alt. Da können die Zeiten damals noch so hart
gewesen sein.“
Melica hatte mit vielem
gerechnet. Verzweiflung, weil jemand seinem Geheimnis auf die
Schliche gekommen war, Angst, weil dieser jemand allen von seiner
Lüge erzählen könnte – was sie jedoch nicht
erwartet hatte war ein Heiterkeitsausbruch. „Aber Mädchen“,
kicherte Gregor und erinnerte Melica stark an ein kleines, völlig
betrunkenes Baby. „Natürlich beeindruckt mich Ihre
Kombinationsgabe sehr, doch…was lässt Sie glauben, dass
ich damals keine Mittel und Wege gefunden habe, meiner eigenen
Hinrichtung zu entgehen?“
Auf ihren verwirrten Blick
hin erklärte er: „Zugegeben – es war nicht mein
eigener Verdienst. Meine Mutter erkannte die Gefahr, in der ich mich
befand, schon viele Monate vor ihrem eigenen Tod. Sie wusste, dass
mir viele Menschen nach dem Leben trachten würden, dann, wenn
sie selbst nicht mehr da sein würde, um mich zu schützen.
Also schmiedete sie einen Plan. Einen Plan, für den ich sie vor
so vielen Jahren aus vollstem Herzen gehasst hatte und dem ich heute
mehr als nur mein Leben verdanke. In unserer Küche gab es einen
Jungen, der mir zum Verwechseln ähnlich sah, was, um ehrlich zu
sein, keinen besonderen Zufall darstellte. Damals, im alten Ägypten
sahen wir alle nahezu gleich aus.“
Melica hob abrupt die
Hand. Sie musste nicht noch mehr hören, um zu wissen, was sich
damals zugetragen haben musste. „Das ist absolut barbarisch“,
spie sie verächtlich hervor. „Sie haben diesen Jungen
sterben lassen? Einfach so?“
Gregor musterte sie
verständnislos. Er schien sich keinerlei Schuld bewusst zu sein.
„Sie wissen nicht, wie es früher war. Damals war es nur zu
verständlich, dass man sein Leben für jemanden gab, der
gesellschaftlich über einem stand. Merenptah konnte mich nicht
einfach im Stich lassen, mich, den einzigen Sohn der zwei mächtigsten
Herrscher jener Zeit. Das müssen Sie doch verstehen.“
Melica ließ ein
freudloses Lachen hören. „Nein. Das muss ich nicht.“
Sie schüttelte
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