Seelensplitter - Marionette des Schicksals (German Edition)
fassungslos den Kopf. „Sie wussten sogar,
wie der arme Junge hieß, der sein Leben für Ihres geopfert
hat…“
„ Selbstverständlich
kannte ich seinen Namen. Merenptah ist mein bester Freund gewesen.“
Aufgrund seines nüchternen
Tonfalls fiel Melicas Kinnlade in einer Geschwindigkeit herab, die
jedes Rennauto vor Neid erblassen lassen würde. Seit sie hier im
Antrum war, tat ihre Kinnlade eigentlich fast nichts anderes mehr. So
langsam sollte Melica das zu denken geben.
„ Sie haben Ihren
besten Freund auf dem Gewissen?“, krächzte sie
fassungslos.
„ Wo liegt Ihr
Problem, mein Kind? Würde das Reich der Osiris tatsächlich
existieren, wäre Merenptah für diesen Einsatz reich belohnt
worden.“
Melica beschloss, nicht
auf seine Worte einzugehen. Sie schüttelte nur den Kopf,
anklagend, völlig fassungslos.
Gregor musterte sie
gedankenverloren. „Ich sehe, dass wir in diesem Fall wohl nicht
so bald auf einen gemeinsamen Nenner kommen werden“, befand er
schließlich und seufzte. „Wenden wir uns also dem Problem
zu, wegen dem ich überhaupt den Weg zu Ihnen angetreten habe.
Ihrem Amulett.“
Unter normalen Umständen
hätte Melica jetzt wohl alles dafür gegeben, ihn
weitersprechen zu hören. Unter normalen Umständen war
Melica aber nicht völlig entkräftet und so müde, als
hätte sie monatelang keinen Schlaf bekommen. Melica war aber
müde, was darauf schließen ließ, dass dies keine
normalen Umstände waren, was wiederrum darauf schließen
ließ, dass Gregors Worte sie nicht interessierten. Das taten
sie auch nicht.
„ Gregor…hören
Sie. Könnten Sie mir das bitte morgen erklären? Ich glaube
nicht, dass ich momentan auch nur irgendeines Ihrer Worte verstehen
könnte. Lassen Sie das Amulett einfach hier.“
Gregor schüttelte den
Kopf, Entschlossenheit hatte die Verwirrung von seinem Gesicht
verdrängt. „Das kann ich nicht.“ Er blickte Melica
abwartend an, fast so, als fordere er sie auf, nachzuhaken.
Melica tat ihm diesen
Gefallen jedoch nicht. Sie starrte nur zurück.
Enttäuscht verzog
Gregor das Gesicht, lächelte aber schnell wieder. „Es
würde Sie umbringen“, fügte er hinzu, offenbar in der
Hoffnung, doch noch eine Antwort von ihr zu bekommen.
Er bekam sogar eine, wenn
auch erst nach vielen Sekunden: „Ach?“
Gregor erhob sich vom
Stuhl. Während er seine Hände in den Taschen seines Umhangs
verschwinden ließ, glitt ein Schmunzeln über sein Gesicht.
„In Ordnung, meine Liebe. Ich werde Sie nicht länger
belästigen.“ Er verstummte, dann begannen seine Augen zu
funkeln. „Zumindest heute nicht mehr“, fügte er
zwinkernd hinzu. „Ich wünsche Ihnen noch eine angenehme
Nacht, Melica. Schlafen Sie gut.“
Ohne ein weiteres Wort
trat er auf den Flur und ließ Melica ratlos zurück. Mit
einem Mal war sie sich gar nicht mehr so sicher, ob sie Gregor leiden
konnte oder nicht. Vorsichtig legte sie sich zurück auf den
Rücken, schloss die Augen. Sie war sofort eingeschlafen.
~*~
Mit ihrer Ruhe war es
schneller vorbei als sie es sich gewünscht hätte. Melica
konnte kaum ein paar Stunden geschlafen haben, da wurde sie auch
schon unsanft aus ihren Träumen gerissen. Das Stöhnen war
wieder da, angsterfüllte Schreie zerrissen die Luft.
Melica rappelte sich
mühsam auf. Sie war völlig fertig, doch in ihr tobte ein
Sturm, der Häuser ihrer Dächer berauben und ganze Strände
davontragen könnte. Sie konnte es kaum glauben, wollte es auch
gar nicht. Was fiel diesen hirnlosen Barkleys eigentlich ein? Melica
hatte gedacht, dass sie mehr als deutlich gemacht hatte, was sie von
diesem schwachsinnigen Streich hielt! Nämlich gar nichts. Ganz
offensichtlich hatte sie die Intelligenz der beiden Brüder
ziemlich überschätzt – warum sonst sollten die
Schattenkrieger noch immer vor ihrer Tür um die Wette schreien,
stöhnen und kreischen?
Melica überlegte
nicht lange. Wutentbrannt stürmte sie zur Tür, riss sie
brutal auf und rannte auf den Flur. „Seid ihr denn von allen
guten Geistern verlassen?“, schnauzte sie, die Stimme bebend
vor Zorn.
Ihr Ausbruch ging jedoch
ins Leere – vor ihrer Tür stand niemand.
Dann bemerkte Melica in
ihren Augenwinkeln plötzlich etwas Milchiges, beinahe
Durchscheinendes. Und mit einem Mal wurde ihr die Ironie ihres
letzten Satzes bewusst. Sie hatte falsch gelegen. Es war nicht so,
dass die Schattenkrieger von den Geistern verlassen worden waren.
Denn offensichtlich waren die Geister immer noch da.
Ohne es verhindern
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