Seelensplitter - Marionette des Schicksals (German Edition)
beleidigt! Das passte
gar nicht zu ihr!
Sie erhielt keine Antwort.
Yvonne war gegangen. Und Melica vergrub verzweifelt das Gesicht in
ihrem Kissen. Sah ganz so aus, als wäre eine Entschuldigung
fällig. Aber nicht mehr heute. Sie lächelte gequält.
Oh nein – mit Sicherheit nicht mehr heute.
Da klopfte es erneut an
ihrer Tür. Melica stöhnte laut auf. „Was zur Hölle
versteht ihr nicht an meinen Worten? Ich will meine Ruhe haben!“
Als niemand antwortete,
wollte Melica schon erleichtert die Augen schließen – da
wurde die Tür langsam geöffnet und Gregor spazierte hinein.
Melica fiel vor lauter
Dreistigkeit beinahe die Kinnlade hinunter. Verdammt nochmal –
sie lag hier mit nichts weiter als einem Nachthemd bekleidet! „Ich
hatte Sie nicht hineingebeten“, erinnerte sie ihn dumpf.
„ Tatsächlich?“,
wunderte sich Gregor und schloss die Tür hinter sich. „Nun,
das tut mir leid.“ Er ließ seinen Blick prüfend
durch ihr kleines Zimmer wandern, lächelte dann leicht und
setzte sich umständlich auf den alten Stuhl vor ihrem Tisch.
Melica beobachtete ihn
sprachlos. Empört schüttelte sie den Kopf. „Was
wollen Sie?“
Gregor lehnte sich in
seinem – ihrem! – Stuhl etwas zurück. „Du
warst nicht beim Abendessen“, sagte er ruhig.
Melica nickte genervt.
„Ich weiß.“
„ Dürfte ich
auch erfahren, warum?“
Ein falsches Lächeln
legte sich auf Melicas Lippen. „Das dürfen Sie“,
antwortete sie gönnerhaft. „Ich hatte keinen Hunger.“
Melica hatte von diesem
Phänomen schon oft gehört. Es wurde in nahezu jedem Film
aufgegriffen, war in Tausenden von Büchern zu finden – sie
hatte dies immer als pure Fiktion abgetan, für die Fantasie
verrückter Autoren gehalten, die Dinge zusammendichteten, die
sich im wahren Leben niemals so zutragen würden.
Doch nun spürte sie
am eigenen Leibe, dass es Zufälle gab, die man unter normalen
Umständen einfach nicht für möglich halten würde.
Ihr Magen knurrte, so laut, dass Gregor es sogar hören müsste,
wenn er fünfmeterdicke Kopfhörer tragen würde und taub
wäre.
Eine brennende Röte
überzog Melicas Wangen, doch sie schob trotzig die Unterlippe
vor. „Ich habe Blähungen“, verkündete sie
finster. „Und wann habe ich Ihnen eigentlich erlaubt, mich zu
duzen?“
Wenn Gregor verwundert
war, dann konnte er dies ziemlich gut verstecken. Er schenkte ihr ein
entschuldigendes Lächeln. „Es tut mir leid, wenn ich Ihnen
zu nahe getreten sein sollte.“
Er schwieg einige
Augenblicke, strich sich nachdenklich übers Kinn. „Ihnen
ist aber schon bewusst, dass es hier bei uns Pflicht ist, an den
Mahlzeiten teilzunehmen?“
„ Wirklich?“,
fragte Melica und blickte ihn herausfordernd an. „Für Sie
auch?“
„ Natürlich“,
bestätigte Gregor. „Hier bei den Schattenkriegern ist ein
jeder gleich. Es wäre ungerecht, wenn die hier herrschenden
Gesetze nicht für jeden gelten würden.“
„ Und warum waren Sie
nicht beim Frühstück? Weder gestern noch heute?“
„ Ich bin ein alter
Mann, Melica. Ich habe nicht mehr so viel Kraft wie Sie oder der
junge Barkley. Ich brauche meinen Schlaf.“
Melica setzte sich
ruckartig auf – eine Entscheidung, die sie augenblicklich
bereute, als ein stechender Schmerz durch ihren ganzen Körper
schoss.
Etwas in Gregors Blick
änderte sich. Die Güte war mit einem Mal verschwunden,
stattdessen war nur noch eisiges Misstrauen zu erkennen. „Was
versuchen Sie hier gerade zu erreichen?“ Offenbar war ihm
aufgefallen, dass er sich mit seiner Antwort geradewegs in eine Falle
begeben hatte.
Melica schüttelte den
Kopf. „Nichts. Ich wollte mir nur ein Bild von dem Dämon
machen, der im Antrum augenscheinlich das Sagen hat.“
„ Teilen Sie mir auch
mit, zu welcher Schlussfolgerung Sie gekommen sind?“
Melica schenkte ihm ein
kühles Lächeln. „Ich glaube nicht, dass Sie das hören
wollen.“
„ Aber nicht doch,
liebes Kind!“, erwiderte Gregor und mit einem Mal war er wieder
da – der alte, lebensfrohe Mann, der sie auf der Krankenstation
besucht hatte. „Ich sagte Ihnen bereits, dass ich Dämonen,
die die Wahrheit sprechen, äußerst schätze. Es ist
eine Schande, dass das Aussprechen der Wahrheit immer mehr zu einer
Straftat zu werden scheint.“
„ Schön“,
machte Melica und ihr Lächeln vertiefte sich. „Ich hätte
es Ihnen niemals gesagt, aber Sie wollen es ja unbedingt hören.
Was ich von Ihnen halte, Gregor? Nun, ich muss zugeben – das
ist nicht viel. In meinen
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