Seelensplitter - Marionette des Schicksals (German Edition)
zu
können, entschlüpfte ihr ein schriller Schrei. Melica sah,
dass die helle Gestalt aufgeschreckt den Kopf hob – Sekunden
später stürzte die junge Schattenkriegerin davon, den
Körper erfüllt von Panik.
Hätte sie auch nur
einen Moment nachgedacht, wäre sie wohl nie so dumm gewesen,
einfach davonzurennen, schließlich befand sie sich nur wenige
Zentimeter von ihrem eigenen geschützten Zimmer entfernt. Melica
tat in diesem Moment so einiges, doch nachdenken war nicht dabei.
Sie rannte weiter, den
langen Gang hinab, ohne zu wissen wohin, einfach nur weiter, weit weg
von diesem angsteinflößenden Wesen.
Erst als sie schließlich
vollkommen erschöpft stehenblieb und nach Atem schnappte, wagte
sie es, einen Blick zurückzuwerfen. Der Geist war verschwunden.
Melica ließ sich keuchend an einer Wand hinabgleiten, vergrub
verzweifelt das Gesicht in den Händen. Himmel – warum
musste sie nur so dumm sein? Die anderen hatten sie doch vorgewarnt,
ihr alles erzählt – und damit offenbar nichts als die
Wahrheit gesagt.
Und sie? Sie warf den
anderen lieber vor, niederträchtige Lügner zu sein, als
auch nur eine Sekunde nachzudenken. Sie versteckte sich lieber vor
allem, was ihr Weltbild zerstörte und stritt es ab, anstelle es
einfach als das anzunehmen, was es war: die Realität. Vielleicht
war dieses Verhalten normal, vielleicht würden sogar viele
genauso reagieren. Melica schämte sich trotzdem dafür.
Dämonen, Hexen, Geister – was würde als nächstes
kommen?
Menschen mit seltsamen
Mutationen, die Spinnfäden aus ihren Fingern schießen
konnten und den beinahe krankhaften Drang hatten, die Erde von allem
Bösen zu befreien? Oder Verrückte, die aus irgendeinem
Grund davon überzeugt waren, sie wären Halbgötter und
könnten andauernd auf den Olymp steigen, um mit ihrem Vater zu
sprechen?
Melica lächelte
gequält. So seltsam diese Dinge auch waren, ihrer Meinung nach
toppte nichts den Wahnsinn, der in ihr Leben eingezogen war. Doch sie
sollte sich irren. Ehe sich Melica versah, tauchte eine weitere,
durchsichtige Gestalt auf. Direkt neben ihr kroch sie aus der Wand,
zeigte erst eine helle Nase, dann eine Stirn und ein Kinn. Als
nächstes wurden die Augen sichtbar.
Melica sprang entsetzt auf
und sprintete in die entgegengesetzte Richtung davon. Aber es war zu
spät. Der verzweifelte Ausdruck in den nebelgrauen Augen der
toten Frau hatte sich Melica bereits wie glühender Stahl tief
ins Gedächtnis gebrannt. Er ließ ihr das Blut in den Adern
gefrieren.
Panisch rannte sie weiter,
warf alle paar Sekunden einen hektischen Blick über die
Schulter. Der Geist folgte ihr, langsam zwar, aber nicht weniger
gefährlich. Bittere Entschlossenheit lag auf dem zerfurchten
Gesicht der ehemaligen Hexe.
Melica schluckte, um den
Kloß in ihrer Kehle zu verscheuchen. Erfolglos. Sie bog gerade
um eine Ecke, ihr Blick flog über ihre Schulter – da
krachte sie plötzlich gegen eine Wand.
Verstört schloss
Melica die Augen. Warum baute man mitten in einen Flur eine massive
Mauer? Wo war denn da der Sinn? Während die Fragen in ihrem Kopf
herumwirbelten, registrierte ihr Verstand mit einem Mal etwas
Seltsames. Die Wand war warm, strahlte eine beinahe beängstigende
Hitze aus.
Vorahnungsvoll hob Melica
den Kopf. Ihre Augen wurden immer größer, als sie über
das zugeknöpfte nachtschwarze Hemd glitten, kurz an der bleichen
Haut darüber verweilten und schließlich direkt auf den
belustigten Blick Zanes trafen.
Dass Melica in diesem
Moment nicht die Augen verdrehte, war ein Wunder. Teufel nochmal –
warum eigentlich immer sie? Warum konnte sie nicht irgendjemandem
anderen begegnen? Tizian vielleicht oder Renate. Sogar Jonathan wäre
ihr tausendmal lieber als dieser Sarcone!
Ein spöttisches
Räuspern riss sie aus ihren Gedanken und erinnerte sie daran,
dass sie sich noch immer an den harten Körper des Sarcones
lehnte. Entsetzt stolperte sie zurück und spürte fast
gleichzeitig, wie ihr eine brennende Röte ins Gesicht schoss.
Melica wollte schon etwas
sagen, doch Zane bedeutete ihr mit einem angedeuteten Kopfschütteln
zu schweigen. Als hätte der Geist genau darauf gewartet, wählte
er diese Sekunde, um unheilvoll um die Ecke zu gleiten.
Melica keuchte
angsterfüllt auf, blieb wie gelähmt stehen. Verwirrung
huschte über ihr Gesicht, als sie bemerkte, dass sich ein
erwartungsvolles Funkeln in Zanes dunkle Augen geschlichen hatte.
„ Verschwinde“,
befahl er dumpf.
Melicas Blick flog zu der
geisterhaften
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