Seelensplitter - Marionette des Schicksals (German Edition)
Nichts“,
erklärte Jim hastig. „Ich meine – klar war sie
unendlich traurig, aber… sie ist wirklich gut damit
zurechtgekommen.“
Wenn er glaubte, dass ihr
Misstrauen nun verschwinden würde, dann hatte er sich gewaltig
getäuscht. Vorwurfsvoll blickte sie ihn an. „Was
verschweigst du mir?“
Jim fuhr sich erschöpft
durchs rote Haar. „Ich… Lina hat gestern Abend mit mir
Schluss gemacht.“
Melica entglitten alle
Gesichtszüge. „Wie geht das denn? Bist du nicht mit
Vanessa zusammen gewesen?“
Jim schüttelte
energisch den Kopf. „Das ist schon lange vorbei.“
„ Wie lange?“,
hakte Melica ungläubig nach.
„ Sie hat mich
verlassen, als du bei deinem Großvater gelebt hast“,
erklärte Jim leise.
Oh. Obwohl ihr bester
Freund alles tat, um so unbefangen wie möglich zu wirken –
Melica kannte ihn. Sie wusste, dass er ein unverbesserlicher
Frauenheld war. In so kurzer Zeit von gleich zweien den Laufpass
bekommen zu haben, musste ihn schwer getroffen haben. Vor allem die
Trennung von Vanessa. Melica hatte sie nicht ausstehen können.
Aber sie hatte Jim nie etwas davon erzählt, wusste sie doch,
dass er sie wirklich aus tiefstem Herzen geliebt hatte.
„ Das tut mir leid,
Jim“, sagte sie und schenkte ihm ein ehrliches Lächeln.
Jim verzog das Gesicht.
„Das muss es nicht. Jetzt, wo du wieder da bist, ist alles
bestens.“
Melica wollte ihm sagen,
dass er dieses Treffen falsch verstand, sie musste es ihm sagen –
doch sie konnte es nicht. Nicht, nachdem sie das aufrichtige Glück
auf seinem Gesicht gesehen hatte. Wer war sie denn, dass sie ihm
dieses Glück einfach nahm?
Zane teilte ihre Zweifel
offensichtlich nicht. Mit einem kalten Schnauben knurrte er: „Du
solltest dich nicht an sie gewöhnen, Kleiner.“
Während Melica leise
aufstöhnte, warf Jim Zane einen verwirrten Blick zu. „Was
soll das heißen?“
Eiskalter Hohn legte sich
auf Zanes bleiches Gesicht. „Was das heißen soll, Junge?
Streng‘ deine zwei einsamen Gehirnzellen doch einmal ein wenig
an!“
Jim schlug die Augen
nieder. Als er sie wieder öffnete, lag eine Angst in ihnen, die
Melicas Herz beinahe zum Zerspringen brachte. „Du gehst
wieder?“
„ Hervorragend. Du
hast es geschafft, Fakten logisch miteinander zu verknüpfen“,
spottete Zane und ließ ein leichtes Grinsen sehen.
„ Mel?“ Jims
blaue Augen waren geweitet und blickten so traurig, dass Melica den
Anblick nicht länger ertragen konnte, ohne erneut in Tränen
auszubrechen.
„ Ich muss gehen“,
flüsterte sie verzweifelt.
„ Aber-“, Jim
brach ab.
Aus den Augenwinkeln sah
Melica, dass sich blanke Genugtuung auf Zanes Zügen ausbreitete.
In diesem Moment schaltete etwas in ihrem Kopf aus. „Das macht
dir Spaß, oder?“, herrschte sie ihn an, während sie
zwei Schritte auf ihn zustürmte und ihm aufgebracht ihren Finger
in den Brustkorb rammte.
Zane beobachtete sie mit
deutlich belustigter Miene. „Eine gewisse Freude kann ich nicht
abstreiten“, gab er gelassen zu. „Es ist ganz amüsant
anzusehen, wie dein angeblich so starker Freund versucht, verzweifelt
seine Tränen zurückzuhalten. Ganz großes Kino.“
Das Haus neben ihnen
explodierte mit der brachialen Stärke einer Bombe. Hitzewellen
schlugen auf Melica ein und ließen sie die Augen schließen.
Einige Meter von ihr entfernt begann ein Kind zu weinen, Schreie und
Gebrüll hallten durch die flackernde Nacht.
Melica zuckte nicht einmal
zusammen, als sie hart am Arm gepackt und fortgeschleift wurde. Es
schien, als hätten sich ihr Verstand, ihre Gefühle und ihre
Wünsche miteinander abgesprochen und wären heimlich
geflüchtet. Melica nahm nichts mehr wahr, dachte nicht mehr,
fühlte nicht mehr.
Auch im Nachhinein konnte
Melica nicht einmal ansatzweise sagen, wie lange sie bar jeglicher
Emotion auf dem Beifahrersitz eines Autos gehockt und in die
Dunkelheit gestarrt hatte. Selbst als sich ihr Denken langsam wieder
zurückmeldete, verstand sie nicht, was gerade passiert war. Sie
wollte auch gar nicht darüber nachdenken, zumindest nicht im
Moment. Stattdessen konzentrierte sie sich auf die Worte, die die
beiden anderen Dämonen im Wagen miteinander wechselten, der eine
ruhig und emotionslos, der andere nervös und aufgeregt.
„ Hat sie zum ersten
Mal etwas in die Luft gejagt?“
„ Ich glaube schon.
Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie ihre Kräfte
noch lange nicht im Griff hat!“ Jetzt, in der Aufregung, war
Tizians Akzent deutlicher denn je. „Glaubst du,
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