Seelensplitter - Marionette des Schicksals (German Edition)
Mann tauchte unvermittelt im Gang direkt vor
ihnen auf.
Fassungslosigkeit strömte
durch Melicas Körper, stärker und heftiger als alles, was
sie bisher erlebt hatte. Tizian? Das konnte doch nicht wahr sein!
Doch mit jedem Schritt,
den der Mann auf sie zutrat, fielen Melica mehr Dinge auf, die ihn
von Tizian unterschieden. Er war ein wenig größer und
obwohl er deutlich weniger Muskeln hatte, wirkten seine Bewegungen
kraftvoller. Das, was Melica endgültig davon überzeugte,
dass der Mann vor ihr nicht ihr Freund sein konnte, waren jedoch
seine Augen. Sie blickten gefährlich, funkelten schadenfroh und
verliehen dem Fremden das Aussehen eines geisteskranken Psychopathen.
Trotzdem… die Ähnlichkeit zwischen den beiden war
unheimlich.
Diana schien über
sein Auftauchen nicht sonderlich begeistert zu sein. „Ich
unterhalte mich gerade“, teilte sie ihm verstimmt mit.
Der Mann schob pikiert
seine Augenbrauen zusammen. „Ich hätte nicht gestört,
wenn es nicht dringend wäre.“ Während er sprach,
schweifte sein Blick kurz zu Melica, was deren innere Alarmglocken
beinahe zum Explodieren brachte. Nicht nur, dass Diana ihr nicht
glaubte – musste der Mann jetzt auch noch irgendwelche
seltsamen Andeutungen machen?
Diana sah ebenfalls nicht
erfreut aus. „Was ist denn?“, fragte sie und seufzte
gequält. „Solltest du nicht lieber Ethans Aussage
überprüfen?“
„ Deshalb will ich ja
mit dir sprechen“, stieß der Mann hervor und warf Melica
einen weiteren bedeutsamen Blick zu.
Diana seufzte und klang
dabei fast so, als trage sie die Last der gesamten Welt auf ihren
schmalen Schultern. „Du kannst vor Melica reden, Jareth. Sie
wird ohnehin nichts davon ausplaudern können.“
Jareth? Alarmiert richtete
sich Melica auf. Das da sollte der süße, kleine Bruder der
Barkleys sein? Kein Wunder, dass sich die drei so ähnlich sahen.
Und es erklärte auch, warum Tizian mit einem Mal nicht mehr über
seinen zweiten Bruder hatte sprechen wollen. Auch sie hätte sich
dafür geschämt, einen Sarcone in der Familie zu haben.
Jareth nickte ungeduldig.
„Ethan hat gelogen. Das Hotel, in dem der Nachfahre angeblich
wohnen sollte, ist seit einigen Monaten geschlossen“, sagte er
und schaffte es, gleichzeitig enttäuscht und schadenfroh zu
klingen.
„ Damit habe ich
gerechnet“, erwiderte Diana achselzuckend. „Kümmer‘
dich bitte um ihn.“
„ Darf ich den
Prozess herauszögern?“, erkundigte sich Jareth mit einem
seltsamen Funkeln in den Augen.
„ Du hast drei Tage.
Danach müssen Ethans Reste aus der Zelle verschwunden sein.“
Ein breites Grinsen
breitete sich auf Jareths Gesicht aus.
Melica hingegen richtete
ihren Blick zu Boden. Sie betete, dass in Dianas Worten eine andere
Bedeutung stand als die, die in ihrem Kopf herumgeisterte. Sie
glaubte nicht daran.
Erst als immer leiser
werdende Schritte zeigten, dass Jareth verschwunden war, hob Melica
den Kopf. „Was genau meintest du damit, ich könnte nichts
davon ausplaudern?“
Diana musterte sie
spöttisch. „Du wirst keine Gelegenheit dazu bekommen. Oder
bist du so naiv zu glauben, du dürftest das Schloss in nächster
Zeit verlassen?“
„ Ich darf nicht?“
„ Warum solltest du?
Wenn du uns wirklich helfen willst, hast du keinen Grund, hier
weggehen zu wollen. Und sollte ich herausfinden, dass du vorhast, uns
auf irgendeine Art zu hintergehen, dann wirst du das Schloss auf
keinen Fall verlassen. Das kann ich dir sogar versprechen.“ Mit
einem auffordernden Blick setzte sie sich erneut in Bewegung.
Melica folgte ihr,
zögerlich und tief in Gedanken versunken. Es musste doch einen
Weg geben, Diana von ihrer Loyalität zu überzeugen.
„ Isak sagt, es seien
Menschen gewesen, die meinen Vater ermordet haben“, sagte sie
mit einem Mal und beobachtete Dianas Reaktion genau. So sehr sie sich
auch bemühte – sie konnte nichts außer einem
leichten Hauch von Überraschung entdecken. „Deshalb will
ich euch helfen“, fuhr Melica mit etwas leiserer Stimme fort.
„Ich will Rache.“
Diana schien zu überlegen.
Dann stieß sie eine Tür neben sich auf. Das erste, was
Melica verstörte, war die unglaubliche Stärke, mit der die
Tür gegen die Wand prallte. Dies war jedoch nichts im Vergleich
zu der Fassungslosigkeit, die sie tief und schwer durchströmte,
als die tiefe Stimme eines Nachrichtensprechers an ihre Ohren drang.
Er redete in einer Sprache, die sie nicht verstand und doch war sich
Melica sicher, dass sich irgendetwas Schreckliches
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