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Seelensplitter: Thriller (German Edition)

Seelensplitter: Thriller (German Edition)

Titel: Seelensplitter: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koglin
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springt ein Känguru über den kahlen Boden. Lina kann ein Kängurubaby erkennen, das seinen Kopf aus dem Beutel der Mutter steckt. In der Ferne wird das Trompeten eines Elefanten vom Geschrei eines Pfaus beantwortet.
    Eine ältere Frau steht mit einer Plastiktüte vor dem Gehege der Wisente. Eines der Tiere trabt mit durchgebogenem Rücken gemächlich auf sie zu und lässt sich durch das Gatter hindurch mit Brotstücken füttern. Die Frau spricht mit ihm, und es spitzt sichtbar die Ohren. Lina hat den Eindruck, als würden sich die beiden schon sehr lange kennen.
    »Jeder muss Opfer bringen«, hatte Che im Scherz gesagt.
    Wenn sie die Chance nutzen will, muss auch sie ein Opfer bringen. Und zwar bevor es zu spät ist. Seit Jahren nimmt sie es sich vor. Immer wieder. In nüchternem und in betrunkenem Zustand. Doch getan hat sie es bislang nicht. Sie kann es nicht länger hinauszögern. Es muss sein. Heute.
    24
    W as ist während der Therapie geschehen?, denkt Lina, bevor sie sich auf diesen Weg macht. In der U-Bahn lässt sie wieder einmal die Therapiesitzungen Revue passieren.
    Beim ersten Gruppentreffen hatte Christina beteuert, dass sie schon alles versucht habe. Tagelang sei sie ohne Geld und ohne Kreditkarte unterwegs gewesen, habe sich während der Ladenöffnungszeiten nicht auf die Straße getraut und sei schließlich in ein Dorf gezogen, in dem es nur einen einzigen kleinen Lebensmittelladen gab. Doch nach wenigen Wochen der Abstinenz habe sie wieder voll zugeschlagen. Der Zwang zu kaufen sei übermächtig. Jedes Mal nach Verlassen der Geschäfte müsse sie sich erbrechen.
    Nachdem sie geendet hatte, strich sie sich die Strähnen ihrer blonden Haare hinter die Ohren und drehte nervös den Ring an ihrem Finger. Sie neigte ihren Kopf ein wenig nach vorne und schien auf etwas zu warten, eine Reaktion, eine Frage … Doch die Frauen schwiegen. Severin Carlheim kritzelte weiter etwas in sein Notizbuch und schwieg auch.
    »Das ist sicher nicht alles, oder?«, fragte Stefanie schließlich.
    »Ich habe enorme Schuldenberge bei der Bank und konnte mir monatelang nichts Vernünftiges zu essen kaufen.«
    »Auch eine Methode abzunehmen«, kommentierte Astrid wie gewohnt trocken.
    Christina beachtete Astrid nicht weiter. Es sprudelte aus ihr heraus, als hätte sie sich schon seit Wochen vorgenommen, ihre Schleusen zu öffnen. Sie rechnet schonungslos mit sich ab, fand Lina. Für einen Augenblick erwischte sie sich bei dem Gedanken, ob auch sie Panikattacken und Depressionen loswerden könnte, wenn sie sich hier in der Gruppe öffnen würde. Ob die Erinnerungen an ihre Kindheit wiederkämen, wenn sie hier über Ralf sprechen würde. Wenn sie gestehen würde, dass sie schuldig war an seinem Tod.
    »Ich habe versucht, die Schuhe, Kleider und den ganzen Kram, den ich angeschafft hatte, über eBay wieder zu verkaufen. Brachte natürlich nichts ein, selbst wenn noch das Etikett dranhing. Schließlich habe ich die Sachen verschenkt oder zum Roten Kreuz gebracht, um meine Schuldgefühle loszuwerden. Die ganze Zeit habe ich Theater spielen müssen. Meine Ehe ist dabei kaputtgegangen, und ich habe mich damit getröstet, es so richtig krachen zu lassen. An dem Tag, als die Scheidungspapiere im Briefkasten lagen, habe ich 4000 Euro durch den Ofen gejagt.«
    Tränen liefen ihr über das Gesicht. Der Therapeut tat, was er in solchen Situationen zu tun pflegte. Er sah mit nachdenklicher Miene über den Brillenrand und machte sich ein paar Notizen.
    Drei Freunde habe sie mit ihrem Wahnsinn vertrieben, sagte Christina, dabei leide sie so unter der Angst, verlassen zu werden. Irgendwann sei sie auf Beruhigungstabletten gekommen. Damit sei ein paar Monate alles ganz gut gelaufen, aber dann sei die Wirkung ins Gegenteil umgeschlagen, sie sei immer nervöser und fahriger geworden. Zurzeit bahne sich wieder etwas mit ihrem geschiedenen Mann an.
    »Da ist noch so viel Vertrautheit«, sagte sie, »aber ich habe Angst, dass es wieder von vorn losgeht, sobald auch nur die kleinsten Schwierigkeiten auftauchen.«
    »Und da arbeitest du in einer Boutique?«, fragte Pia.
    »Das tut mir gut. Ich sehe ja den Krempel, und ich ekle mich davor. Als Kind habe ich immer geglaubt, dass Gott sich hinter dem Altar versteckt. Eines Tages bin ich hingegangen und habe nachgesehen. Doch Gott war nicht da. Nur ein paar abgebrannte Kerzen lagen herum, und dann huschte eine Maus vorbei.«
    »Aber wie kann man etwas verkaufen, vor dem man sich ekelt?«
    »Das geht«,

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