Seelensplitter: Thriller (German Edition)
du brauchen«, sagt Isabel. Sie schließt die Haustür hinter Lina.
Lina starrt verdutzt auf den Zettel. Isabel muss ihren Besuch erwartet haben! Die Adressen auf dem Zettel waren in den Computer eingegeben und ausgedruckt worden. Oder hatte Isabel eine solche Liste einfach so für alle Fälle parat?
22
L ina überquert die Straße und sieht sich noch einmal um. Eine Angewohnheit seit Ralfs Tod. Seitdem hat sie oft das Gefühl, verfolgt zu werden.
Die Plätze vor den Cafés im Hamburger Schanzenviertel sind an diesem milden Frühlingstag von jungen Leuten bevölkert.
Ein Streifenwagen fährt im Schritttempo vorbei, doch kaum jemand nimmt Notiz davon. Lina erinnert sich daran, dass die Schanze für minderjährige Ausreißer die erste Anlaufadresse in Hamburg ist.
Sie geht am griechischen Restaurant »Olympisches Feuer« vorbei und biegt in einen Hinterhof ein. In der restaurierten Kaffeerösterei, zu der ein kleines Café gehört, finden zwei Mal in der Woche öffentliche Röstungen statt, die auf einer Schiefertafel angekündigt werden. »Befreiung von Bitterstoffen durch schonende Röstung«, steht auf einer Tafel mit Pfeil zum Shop. Lina steigt eine Metalltreppe hinunter und entdeckt Stefanie vor einer kupfernen Rösttrommel, von der sie einen Aufsatz abschraubt.
»Niemand weiß, wie luxuriös eine Kaffeemaschine ist, bei der man nur auf den Knopf drücken muss«, sagt sie finster, ohne aufzusehen.
»Du scheinst von meinem Besuch nicht gerade überrascht zu sein«, sagt Lina und setzt sich auf einen mit Kaffee gefüllten Sack, der neben der Maschine steht. »Ramirez Orgánico Café Altura« steht darauf, daneben ist ein alter Mann abgebildet, der seine Nase genüsslich über die Kaffeetasse hält.
»Isabel hat mich angerufen.«
Stefanie zieht ein Poliertuch aus der Tasche und putzt ein paar Stellen an dem Kessel blank. Dann stopft sie das Tuch zurück in die Tasche und setzt sich auf einen anderen Sack.
»Barista«, sagt Stefanie. »Die meiste Zeit ärgerst du dich mit diesen alten Röstgurken ab.« Sie versetzt der Maschine einen Klaps, als wäre sie ein unartiges Kind.
»Was ist mit deiner Malerei?«
»Zum Hobby degradiert. Mangelndes Talent.«
Lina holt tief Luft und sagt: »Zwei Frauen aus unserer Therapiegruppe sind ermordet worden, und keine von euch scheint das besonders zu interessieren.«
Stefanie zieht erneut das Tuch aus ihrer Tasche und wischt sich damit die Hände ab. Dann sagt sie: »Ehrlich gesagt hatte ich ein bisschen Angst, als Isabel mich anrief und sagte, dass du wahrscheinlich vorbeikommen und mir ein paar Fragen stellen würdest.«
»Angst? Wovor Angst?«
»Diese Abende sind ausgeartet.«
»Irgendetwas hat da mit mir zu tun«, sagt Lina, »und ich will rausfinden, was es ist.«
»Es ist sicher anders, als du denkst.«
»Glaubst du oder vermutest du das?«
»Ich bin bei diesen Frauenabenden nur zwei Mal dabei gewesen. Es war grauenhaft.«
»Frauen auf der Suche nach Ablenkung?«, sagt Lina.
»So kann man das auch nennen. Isabel hat jeden Schwanz genommen, den sie kriegen konnte.«
»Und Astrid?«
»Die große Partyplanerin, so eine Art Zeremonienmeisterin. Was für ein Gespann!«
»Pia und Christina?«
»Soweit ich das beurteilen kann, waren sie mit Begeisterung dabei. Ausgehungert wie sie waren.«
»Warum hast du nicht mehr teilgenommen?«
»So was kann ich auch ohne die Damen haben. Ich bin Single. Aber die hatten ja alle Typen am Start.«
»War Carolin auch dabei?«
»Ja. Ist nur mitgekommen, weil sie sich nicht ausschließen wollte. Schüchtern halt.«
»Meinst du damit zurückhaltend?«
»Die beiden Male, die ich mit ihnen unterwegs war, haben Carolin und ich an der Bar gesessen und den Typen signalisiert, dass wir in Ruhe gelassen werden wollten. Ich weiß überhaupt nicht, warum wir mitgegangen sind. War wohl Neugier.«
»Gut und schön«, sagt Lina, »Stripshows und Swingerpartys. Nur was hat das alles mit dem Tod von Carolin und Astrid zu tun? Und mit mir?«
»Soll ich sagen, was ich denke? Ganz ehrlich?«
Lina nickt.
»Es gibt keine Verbindung.«
»Ich fürchte doch«, sagt Lina. »Kannst du dich an etwas erinnern, das ich gesagt haben könnte, was jemandem in der Gruppe besonders aufgestoßen ist? An irgendeine Reaktion?«
»Du hast doch kaum was gesagt«, erwidert Stefanie, »jedenfalls in der Gruppe nicht.« Dann beginnt sie ein tellergroßes Zahnrad zu putzen.
Lina unternimmt einen letzten Versuch: »Kannst du dir einen Reim auf die Worte
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