Seelensturm
weiß nicht, Amy, ob das ein Grund zum Freuen ist. Du weißt, was das bedeutet«, gab ich zu bedenken. Langsam erstarb ihr Lächeln.
»Die ganze Zeit über habe ich geglaubt, dass sich Onkel Finley und die anderen täuschen und dass du in Wahrheit die Illustris bist. Doch nachdem, was heute passiert ist, denke ich, dass doch ich dieses Schicksal habe«, sagte Amy leise.
»Die gleichen Gedanken hatte ich auch schon. Aber ich wusste nicht, ob dies nun ein gutes oder ein schlechtes Zeichen sein würde. Ob du oder ich? Letztendlich ist eine von uns immer in Gefahr.« Wir schwiegen beide und dachten darüber nach. War es nicht egal, wer von uns beiden nun immer den Tod im Nacken haben würde? Nein, ich hätte ihr gerne dieses Schicksal erspart. Amy hatte sich schon immer ein Leben mit Partys, Freunden und Reisen gewünscht, was ihr nun nicht vergönnt war.
»Was hältst du davon, wenn ich dich heute Nacht begleite?« Ich hatte mir schon gedacht, dass es nicht lange dauern würde, bis sie mit dieser Frage herausrücken würde.
»Was ich davon halte? Na - nichts, natürlich. Wir werden es so machen, wie wir es besprochen haben. Es ist einfach zu gefährlich, Schwesterchen.«
»Ach? Obwohl ich jetzt weiß, dass ich die Illustris bin und genauso gegen diese Typen kämpfen könnte?«
Da war sie wieder. Diese rebellische Ader meiner Schwester. War das jetzt ein Wettbewerb zwischen uns?
»Was soll das? Findest du nicht, dass du diese Sache auf die leichte Schulter nimmst? Das ist kein Spaß, Amy. Außerdem sollten wir unseren Trumpf noch nicht ausspielen. Solange die nicht wissen, dass wir Zwillinge sind, hast du die Chance, zu überleben und dich aus dem Staub zu machen, bevor sie es herausfinden. Gerade, da wir endlich wissen, dass du zu deinen ... Gaben gefunden hast, brauchst du noch mehr Schutz.«
Ich war streng mit ihr, jedoch wollte ich ihr den Enthusiasmus und ihren Kampfgeist nicht nehmen. Es war wichtig, dass sie nicht vergaß, wie gefährlich die ganze Sache für uns war.
»Entschuldige, du hast Recht. Es ist nur, ... endlich zeigen sich meine Fähigkeiten, die man von mir erwartet und darüber freue ich mich.«
»Ach, Schwesterherz. Auch wenn du sie nicht spürst, bist du etwas Besonderes«, versuchte ich, sie zu trösten. Sie nickte schweigend, sah mich aber nicht an.
»Du bist die Illustris, aber gerade deshalb hat dein Leben die oberste Priorität. Verstehst du?«
Wieder nickte sie, doch diesmal hob sie ihren Kopf und sah mir in die Augen.
»Du wirst vorsichtig sein, ja? Ich will, dass du wieder zurückkommst, hörst du?« Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die durch einen Wimpernschlag in kleinen Rinnsalen die Wangen hinunter liefen. Auch mir wurde bewusst, welches Risiko das Treffen barg und mein Kloß im Hals wurde größer, als ich daran dachte, meine Schwester vielleicht nie wieder zu sehen.
Kapitel 15
Der restliche Tag verging nur sehr langsam. Das brachte die Anspannung wieder zurück, die wir durch das Training vergessen konnten. Nach dem Abendessen schalteten Amy und ich den Fernseher in unserem Wohnzimmer absichtlich lauter. Vor den Augen von Onkel Finley trugen wir eine Schüssel Chips und einige andere Leckereien hoch in unser Zimmer. Er sollte an einen gemütlichen Fernsehabend glauben.
Bald zogen sich alle zurück. Die Gorillas begannen ihre Schichten, während Terry Agnes nach Hause fuhr, da sie sich nicht gut fühlte. Ich spürte die Nervosität, die Amy schon nicht mehr still sitzen ließ. Wir hatten alles vorbereitet, und während wir so taten, als würden wir brennend interessiert diesen Film ansehen, hatten wir eigentlich ganz andere Gedanken.
Ich ertappte meine Schwester, wie sie ganze Ozonlöcher in die Luft starrte und ständig ihre Lippen vor Anspannung aufeinander presste. Mir ging es nicht besser. Ich war zwar sicher, dass das Treffen gut verlaufen würde, doch ein kleines Restrisiko blieb.
In der ersten Stunde schaffte ich es, mich vom Film mitreißen zu lassen. Er war nicht schlecht, doch nach einiger Zeit war mein Interesse erloschen und ich ertappte mich, wie ich ständig auf die Uhr sah. Allein der Gedanke an ihn und seine Stimme steigerte meine Nervosität. Unbewusst strich ich über meine Haut. Ich würde wieder seine Gegenwart spüren. Mein Gesicht, meine Arme und mein Oberkörper würden brennen, bis die Ornamente wieder sichtbar wurden. Ich war gespannt, was sonst passieren würde. Vielleicht wollte er nun doch seinen Auftrag erledigen. Ich hoffte
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