Seelensunde
sie pulsierte. Dann, mit einem letzten tiefen Stoß, erreichte auch er sein Ziel. Sein mächtiger Körper bebte über ihr, und dieses Beben hielt noch eine Weile an. Nur langsam löste sich die Spannung, unter der sie beide gestanden hatten.
Naphré umschlang ihn mit Armen und Beinen, als wollte sie ihn nie mehr loslassen. Alastor bedeckte ihr Gesicht und ihren Hals mit unzähligen Küssen, Küssen mit geöffneten Lippen, Küssen, bei denen sie seine Zähne spürte. Dann biss auch er zu, ohne sie zu verletzen zwar, aber hart genug, dass sich die Spur seiner Zähne auf ihrer Haut zeigte.
„Ich werde einen Krieg anzetteln, bevor ich zulasse, dass er dich bekommt“, sagte er schließlich leise, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten. Noch während er das sagte, wurde ihm bewusst, dass es keine leeren Worte waren. Es war ihm vollkommen ernst damit. Er würde sich offen gegen Sutekh stellen, seine Brüder gegen ihn mobilisieren. All die diplomatischen Bedenken und Verwicklungen und alle sonstigen Konsequenzen konnten ihm gestohlen bleiben.
„ Er? Du meinst sie, Izanami?“
Nein, Izanami meinte er nicht. Er hatte von Sutekh gesprochen. Es war jetzt die Gelegenheit, ihr die Augen zu öffnen, ihr zu sagen, dass ihre Seele nicht irgendeinem Dämon gehörte, sondern dem Fürsten der Unterwelt, Sutekh.
Aber Alastor schwieg. Er brachte es nicht fertig, es ihr zu sagen. Er hatte sie eben erst gefunden und wollte sie nicht gleichwieder verlieren. Denn er wusste nicht, wie sie reagierte, wenn sie erfuhr, dass es sein Vater Sutekh war, dem sie sich verschrieben hatte. Zudem hätte er auch zugeben zu müssen, dass er schon die ganze Zeit davon gewusst hatte. Die Situation war verfahren genug. Ihr beider Leben hing am seidenen Faden. Und dies war weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt, um jetzt auch noch dieses Fass aufzumachen. Dennoch musste er es Naphré erzählen. Später, wenn sie zurück unter den Sterblichen sein würden und er seine Kräfte wieder beisammenhatte.
„Ich würde niemals zulassen, dass du meinetwegen einen Krieg anfängst“, flüsterte Naphré, die von solchen Gedankengängen nichts ahnte. „Wir werden hier irgendwie herauskommen, aber nicht um den Preis unschuldiger Menschenleben. Die, die ich töte, sind Mörder, und das ist für mich stets die Grundbedingung gewesen. Von der weiche ich auch nicht ab, nicht einmal wenn es um mein eigenes Leben geht.“ Nach einer Pause fuhr sie fort und fragte: „Warum hast du nicht einfach dein Portal aufgemacht und dich in Sicherheit gebracht?“
„Ich sagte ja schon, dass ich ohne dich hier nicht weggehe, mein Kätzchen. Wenn ich durch das Portal gegangen wäre, hätte mir Izanami niemals erlaubt, wieder hierher zurückzukehren.“
Naphré seufzte. „Und jetzt?“
„Jetzt müssen wir einen anderen Weg finden, auf dem wir wieder nach Hause kommen.“ Alastor schüttelte unwillig den Kopf. Dass er zu schwach gewesen war, ein Portal zu öffnen, durch das er sie mitgenommen hätte, wagte er kaum sich selbst einzugestehen. Tatsache war, dass er hier und jetzt nicht Herr der Lage war. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das zu akzeptieren und trotzdem einen Ausweg zu finden. „Die Energieströme der Ober- und Unterwelt zu vereinen, um das Portal zu öffnen, erfordert beides, Erfahrung und Kraft. An Erfahrung mangelt es mir nicht. Aber ich fühle mich augenblicklich schon ein wenig ausgelaugt, Liebste.“
Naphrés Reaktion darauf war nicht die, die er erwartet hatte. Sollte einer aus den Frauen klug werden.
Unbeeindruckt von Alastor Eingeständnis, lächelte Naphré und fragte unschuldig: „Bin ich befördert worden?“
„Wieso?“, fragte er verblüfft.
„Bin ich nicht mehr dein Kätzchen , sondern … Wie hast du mich gerade genannt?“
„Liebste.“
Sie nickte zufrieden. „Wollte ich bloß wissen.“
20. KAPITEL
R egungslos stand Lokan Krayl da. Rings um ihn herrschte undurchdringliche Finsternis. Langsam streckte er die Hand aus und spürte, wie er mit den Fingerspitzen auf kühlen, feuchten Stein stieß. Er strich vorsichtig daran entlang. Etwas war in die Steinwand gehauen oder eingeritzt. Lokan konzentrierte sich darauf, ein Muster in den Einkerbungen zu erkennen. Zentimeter für Zentimeter tastete er sich vor, folgte immer von Neuem den Umrissen.
Das hier war ein Vogel. Ein Geier vielleicht? Dann ein Rechteck. Das kam ihm bekannt vor. Wie eine Kartusche. Oder das Zeichen für einen Teich. Ein Bogen wie eine umgestülpte,
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