Seelensunde
er die Augenbrauen, als richtete er eine stumme Frage an sie, und mit den Augen gab sie ihm die Antwort, die er gewollt hatte. Langsam, ganz langsam näherte er sich ihr wieder. Einladend legte sie den Kopf in den Nacken. Ihre Lippen waren nur noch einen Hauch voneinander entfernt.
In diesem Augenblick hörten sie, wie die Badezimmertür nebenan geöffnet wurde. Naphré hielt inne. Dann schob sie ihn weg, wich zur Seite aus und eilte ins Wohnzimmer. Da sie seinen Blick im Rücken spürte, wusste sie, dass Alastor ihr folgte.
Wenig später kam Marie zurück. Fragend blickte sie von einem zum anderen, als würde auch sie das Knistern bemerken, das zwischen Naphré und Alastor herrschte. Es entstand eine Pause, in der keiner von ihnen etwas sagte, bis Naphré, die das Schweigen nicht länger ertrug, weil sie immerfort an Alastors Zärtlichkeiten denken musste, in die Runde fragte: „Wie wärees mit einem Tee?“
Ohne eine Antwort abzuwarten, lief sie zurück in die Küche – froh, eine Beschäftigung zu haben. Ihr ganzer Körper schien zu summen, so deutlich spürte sie Alastors Berührungen noch.
14. KAPITEL
Bring Glück ins Haus und jage den Dämon davon.
Japanisches Sprichwort
D er Tee zu dritt wurde eine ziemliche Qual. Alastor hatte darauf bestanden, ihn eigenhändig zuzubereiten, was Naphré nur noch nervöser gemacht hatte. „Kontrollfreak“, zischte sie ihm zu, als er ihr in der Küche dazwischenfunkte.
„Ganz ohne Zweifel“, erwiderte Alastor vergnügt.
Die Frauen staunten, als sie sahen, wie Alastor sich drei gehäufte Teelöffel Zucker in die Tasse schaufelte und obendrein in kürzester Zeit eine ganze Schale mit süßem Gebäck leerte.
„Zucker“, meinte er nur, als wäre das eine ausreichende Erklärung. Naphré fragte sich, wie er sich bei solchen Essgewohnheiten derart in Form halten konnte, dass er – wie sie sich hatte überzeugen können – nicht ein einziges Gramm Fett angesetzt hatte. Ein Gedanke, der ihre Fantasie ein weiteres Mal auf Abwege führte.
Als die Teezeit sich zum Ende neigte und Naphré das Geschirr aufs Tablett stellte, stand Alastor auf und ging ans Fenster. Auf dem Weg dorthin zog er sich sein Jackett über. Marie wird froh darüber sein, dachte Naphré. Die Blutflecke erinnerten doch allzu sehr an den Horror, den sie beim Setnakht-Tempel erlebt hatten.
Nach einer Weile meinte Alastor zufrieden: „Da sind sie ja.“ Dann ging er hinaus, um die Neuankömmlinge zu begrüßen und ins Haus zu holen. Naphré wartete gespannt an der Wohnungstür.
Als Erstes kam eine Frau mit langen schwarzbraunen Ringellocken herein. An der Seite trug sie knapp unterhalb der Hüfte ein Messer. Am auffälligsten waren ihre Augen, die eine schwer zu bestimmende Farbe zwischen Grün und Bronze hatten und die man wohl am besten mit „wild“ beschreiben konnte. DieAugen eines Tigers.
Naphré blickte auf das Messer. „Sehr kleidsam. Gefällt mir.“ Sie gab Roxy die Hand. „Naphré Kurata“, stellte sie sich vor.
„Roxy Tam.“ Roxy trat ein. Ihr Händedruck war kurz und kräftig. Dabei hatte Naphré eine sehr ungewöhnliche Art von Energie wahrgenommen. Ohne Frage war Roxy eine Otherkin. Aber da war noch etwas.
Sie trug eine verwaschene Jeans, ein dunkelgrünes T-Shirt und darüber eine Jeansjacke, deren Ärmel sie zurückgeschoben hatte, sodass Naphré das geflügelte und gehörnte Ankh deutlich erkennen konnte. Der Platzierung des Mals nach gehörte sie zur Linie der Keeper, während der Platz an der Schulter, wo Naphré das Ankh trug, auf die Linie der Guides hinwies.
„Na, schon beschnuppert?“, fragte Alastor, der plötzlich hinter Naphré stand, obwohl er eben noch unten auf der Straße gewesen war und sie ihn nicht hatte vorbeigehen sehen.
„Wo kommst du so plötzlich her?“, fragte Naphré fassungslos, besann sich aber gleich wieder. „Ist ja auch egal.“
„Ihr werdet euch prächtig miteinander verstehen – wie Schwestern.“ Alastor lächelte. „Oder soll ich sagen wie Töchter?“
„Sehr witzig“, bemerkte Roxy spitz. Ihr Lächeln war nicht weniger boshaft als Alastors. „Ein richtiger Spaßvogel.“ Dann wandte sie sich wieder an Naphré. „Du hast die Isisgarde verlassen?“
Naphré hatte sich schon gefragt, ab Roxy ihr das übel nehmen würde und ob das zwischen ihnen zum Problem werden könnte. Aber trotz der direkten Frage hatte sie das Gefühl, dass sie sich mit Roxy verstehen würde. „War nicht mein Ding“, antwortete sie knapp.
„Sag
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