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Seelensunde

Seelensunde

Titel: Seelensunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silver Eve
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an.“ Roxy maß sie mit prüfendem Blick. „Ich vermute, dahinter steht eine bewegte Geschichte.“
    Ja, so konnte man es ausdrücken. Naphré war aber nicht dazu aufgelegt, sich darüber auszulassen. „Sicher nichts gegen deine“, erwiderte sie.
    „Gut gekontert.“
    „Kommt herein.“
    Roxy ging vor. Wie aus dem Nichts erschien hinter ihr ein hochgewachsener Mann in Jeans und einer abgetragenen braunen Lederjacke, die dem Anschein nach schon eine Menge mitgemacht hatte. Naphré sah ihn sich genau an. Er schien im Gegensatz zu Alastors gestyltem und sorgfältig kultiviertem Outfit eher die Version des „harten Kerls“ zu sein. Dabei ähnelten sich die beiden so sehr, dass man schon genau hinsehen musste, um die Unterschiede zu erkennen. Das blonde Haar war das gleiche, aber Alastors Bruder reichte es bis fast an die Schultern. Sein Gesicht war etwas schmaler und seine Züge waren schärfer, das Kinn kantiger. Der auffälligste Unterschied lag aber in der Augenfarbe. Die Augen dieses Mannes waren eisgrau und auch so kalt wie Eis. Nur wenn er Roxy ansah, regte sich etwas in ihnen. Naphré fragte sich, wie es wäre, wenn Alastor sie so ansehen würde. Schockiert darüber, dass es ihr überhaupt in den Sinn gekommen war, verscheuchte sie den Gedanken sofort.
    „Das ist Dagan, genannt Dae“, stellte Alastor den Gast vor.
    „Dein Bruder also.“
    „Stimmt“, meinte Alastor fröhlich. „Was hat uns verraten?“
    „Euer modischer Schick.“
    Dagan warf Alastor einen Blick zu. „Schlagfertig“, meinte er halb anerkennend.
    „Aber Sie kommen nicht aus England.“ Naphrés Satz war mehr eine Feststellung als eine Frage.
    Dagan zuckte die Schultern. „Dieselbe Mutter, derselbe Vater, aber ein unterschiedliches Leben.“
    „Auch eine bewegte Geschichte?“, fragte Naphré Alastor.
    „Ein jeder hat doch so seine Biografie, nicht wahr, mein Kätzchen?“ Im nächsten Atemzug rief er Dagan zu: „Die Schuhe.“
    „Was?“
    „Die Schuhe“, wiederholte Alastor.
    Erst jetzt bemerkte sie, dass Alastor ihrer Bitte gefolgt war,seine Schuhe ausgezogen und sie ordentlich neben ihre gestellt hatte. Naphré war verblüfft. Noch mehr, weil er jetzt sogar seinen Bruder aufforderte, ihre Hausregel zu befolgen.
    Auf Socken gingen sie ins Wohnzimmer, wo Marie im äußersten Winkel der Couch hockte und sich offenbar am liebsten unsichtbar gemacht hätte.
    „Marie Matheson“, wiederholte Dagan später gedankenvoll den Namen, den Alastor bei der Vorstellung genannt hatte.
    In groben Zügen schilderte Alastor die Lage. Während er sprach, musterte Marie Dagan mit ängstlichen Blicken. Naphré konnte sich gut vorstellen, was in ihr vorging. Während Alastor seiner äußeren Erscheinung nach und in seinem Benehmen noch zivilisiert und umgänglich auftrat – Naphré wusste genau, dass unter diesem Firnis ein Raubtier lauerte –, gab sich Dagan gar nicht erst die Mühe, seine Reaper-Natur zu verbergen.
    Roxy bot Marie an, vorübergehend bei ihr unterzukommen, bis eine dauerhafte Lösung ihres Problems gefunden war. Marie sagte zunächst nichts dazu, sondern kaute nur nervös an der Unterlippe. Schließlich konnte Roxy sie jedoch davon überzeugen, dass sie in ihrer Obhut am sichersten aufgehoben war. Eine halbe Stunde später brachen Dagan, Roxy und Marie auf.
    „Dae“, rief Alastor seinem Bruder hinterher, als sie schon auf der Treppe waren. „Du hast mitbekommen, wer sie ist, nicht wahr?“
    Dagan holte einen Lutscher aus der Tasche, wickelte ihn aus und steckte das Einwickelpapier sorgfältig gefaltet in die Hosentasche. „Mal hat mir von ihr erzählt“, antwortete er dann. „Er sprach von Informationen, die sie hat.“
    „Ich nehme an, es geht um mehr als nur um Informationen. Aber sie ahnt nichts von der Bedeutung. Sie hat Lokan im Setnakht-Tempel mit Leuten gesehen, von denen sie bloß Pyotr Kusnetzov kennt. Ich denke, Roxy und du, ihr werdet ein Weilchen mit ihr plaudern. Versucht diskret ein paar Personenbeschreibungen von ihr zu bekommen.“
    „Meinst du, wir sollten Malthus dazuholen, wenn wir mit ihr reden?“
    „Musst du wissen. Mal ist ihr nicht näher gekommen.“ Alastor deutete ein Grinsen an. „Obwohl sie bestimmt nichts dagegen gehabt hätte.“
    „Ich werde Mal auf jeden Fall sagen, dass sie jetzt bei uns ist. Aber bestimmt macht er sich rar.“
    „Habt ihr etwas aus Big Ralph herausbekommen?“, fragte Alastor.
    Dagan deutete mit einem Blick auf Naphré, der zeigen sollte, dass er in ihrer

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