Seelentausch - Ein dunkles Familiengeheimnis (German Edition)
des Alten betrachtete. Lackners Brille, die Hannelore notdürftig mit Klebeband wieder zusammengeflickt hatte, hing schräg in seinem Gesicht. Einen Moment war Peter versucht, sie abzunehmen und auf den Wackeltisch zu legen.
Wenn ihn Maren vorhin nicht zurückgehalten hätte, hätte er Lackner wahrscheinlich aufs Übelste verprügelt. Von dieser geradezu brennenden Wut war momentan nicht mehr viel vorhanden. Das Vakuum zwischen seinen Ohren nahm beängstigende Ausmaße an. Peter rieb sich die Augen. Es war, als hätte ihm jemand den Schlauch einer Heliumflasche in die Nase gesteckt und anschließend voll aufgedreht. Ihm war bleischwer und zugleich federleicht zumute.
Mit einer ruckartigen Bewegung wandte er sich schließlich von Lackner ab, knallte die Tür zu und verschloss sie. Den Schlüssel hängte er an einen rostigen Nagel direkt neben der Zimmertür, an dem früher einmal das Bild eines galoppierenden Pferdes gehangen hatte.
Langsam, die Hände fest auf dem Geländer, schlürfte Peter die Stufen hinunter. Sein Vater war nicht mehr zu hören. Bestimmt wollte Wolfgang schnell zu Hannelore zurück. Seine Mutter musste sich ähnlich erbärmlich fühlen wie er. Sie hatte Klarheit über sein Verschwinden bekommen, und gleich noch eine Horrorgeschichte obendrauf.
Als er die Küchentür öffnete, starrten ihn drei besorgte Augenpaare an. Peter verharrte in seiner Bewegung und verzog den Mund so gut es ging zu einem Lächeln. Niemand lächelte mit.
Das war jetzt zu viel. Er drehte sich abrupt um und stolperte wieder auf den Flur hinaus.
Hinter ihm wurde ein Stuhl zurückgezogen.
»Peter«, flüsterte Maren ängstlich. Er wollte sich zu seiner Freundin drehen, aber seine Beine gingen dennoch mit unveränderter Geschwindigkeit auf die Haustür zu.
»Lass ihm Zeit«, hörte er Wolfgang leise sagen.
Im nächsten Moment hatte Peter das Haus hinter sich gelassen. Ein kühler Wind war aufgekommen, der angenehm auf der Haut prickelte. Dennoch lag jetzt eine ungeheure Müdigkeit in seinen Knochen. Er musste schnurstracks in sein Bett.
Sein Blick fiel ins Schlafzimmer. Das Bett wirkte groß und ungemütlich. Schlechte Träume schienen unter der zurückgeschlagenen Bettdecke nur darauf zu warten, ihn anzuspringen, sobald seine Augen sich schlossen. Peter ging weiter in die Küche und holte ein Bier aus dem Kühlschrank. Das Sofa im Wohnzimmer sah um einiges friedlicher aus. Vielleicht sollte er hier ein kleines Schläfchen halten. Peter legte die Beine hoch, machte die Augen zu und wartete auf all die wilden Gedanken, die jeden Moment sein Gehirn unsicher machen konnten. Jetzt hatte er Zeit für sie.
Nur … da war nichts.
Sein Kopf fühlte sich noch genauso dumpf an wie vorhin. Überhaupt bereitete es ihm unendlich viel Mühe, auch nur irgendeinen klaren Gedanken zu fassen. Er dachte kurz daran, wie sich Lackner wohl aufführen würde, wenn er aus seinem Dämmerschlaf erwachte und feststellte, dass man ihn eingesperrt hatte. Gut möglich, dass der Alte das ganze Haus zusammenbrüllen würde. Konnte man seine Eltern mit so einem tollwutsüchtigen Alten allein lassen? Sollte er nicht lieber rübergehen und Wache vor dem Gästezimmer halten?
Während Peter die Vor- und Nachteile einer solchen Aktion abwog, fühlte er bereits, wie sich der Gedanke langsam verflüchtigte. Es war, als befände sich irgendwo ein Loch in seinem Gehirn, aus dem sämtliche Geistesleistung strömte.
Als Maren an der Schwelle stand und gegen die Wand klopfte, schrak Peter überrascht auf.
Seine Freundin faltete die Hände in ihren Schoß und seufzte. Dann begann sie, über Lackner zu reden. Peter wollte wirklich zuhören. Er zwang sich dazu, ihren Worten zu folgen, aber es gelang ihm einfach nicht. Ihre angenehme, leicht dunkle Stimme drang in seinen Kopf ein, ohne jedoch irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Er hatte teilweise sogar das Gefühl, als würde Maren in einer anderen Sprache reden. Jede Silbe klang vertraut und gleichzeitig so völlig fremd. Irgendwann schien sie zu merken, dass sie nicht zu ihm durchdrang, und fing an, ihm sanft durch die Haare zu streicheln.
Es war schön, obwohl ihm auf eine sonderbare Weise eine eisige Kälte überfiel. Gab es erogene Zonen am Kopf? Außerdem breitete sich eine schwer zu definierende Taubheit in den Beinen aus.
Seine Füße waren größtenteils gefühllos. Nur sein linker kleiner Zeh meldete sich jedes Mal mit einem schmerzhaften Pochen zu Wort, wenn er auftrat. Dicke Schneeflocken tanzten
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