Seelentausch - Ein dunkles Familiengeheimnis (German Edition)
Haare fielen ihm wallend über den Kragen. Die Frisur war exakt die gleiche wie damals. Natürlich war der Hauptmann in all den Jahren auch nicht gealtert.
»Ja, wir sollten hinterher«, begrüßte der Hauptmann ihn. Seine Augen ruhten starr auf Karl Gustavs Gesicht. Irgendetwas schimmerte darin rötlich. »Schließlich haben wir etwas vor.«
Karl Gustav konnte sich an die Höhle so gut erinnern, als hätte er sie erst vor wenigen Tagen zum letzten Mal betreten. Von dem fast viereckigen Raum mit seinen feucht und dunkel schimmernden Steinwänden und den insgesamt zehn Fackeln ging eine seltsame Faszination aus. Dabei wirkte es hier noch immer so kahl wie damals. Keinerlei Ausrüstungsteile oder andere Gegenstände waren zu sehen.
»Leg den kleinen Peter hier neben mich«, sagte der Hauptmann und winkte Wilhelm herbei.
Wieder durchfuhr Karl Gustav ein leichtes Zittern. Woher kannte das Hauptmann-Ding den Namen des Babys? Sie hatten es ihm jedenfalls nicht gesagt.
Wilhelm legte das Bündel schräg vor die blank geputzten Stiefel des Hauptmannes.
Wollte der Hauptmann die Prozedur gleich an Ort und Stelle durchführen? Karl Gustav war enttäuscht. Er hatte einen würdevolleren Rahmen erwartet. In seiner Vorstellung wurde das Baby auf einen geschmückten steinernen Altar gelegt, mit allerhand Kerzen und Räucherstäbchen daneben, deren Düfte und Lichter die Höhle feierlich ausfüllten. Dagegen wirkte die Realität, das strampelnde Bündel neben seinen Füßen, geradezu erschreckend simpel.
»Stell dich neben mich«, forderte der Hauptmann Wilhelm auf.
Wilhelm kam seinem Befehl grinsend nach.
»Jetzt geht es endlich los«, freute er sich und lächelte Karl Gustav glücklich zu. »Wir sehen uns wieder, alter Freund. Auch wenn ich dich in den ersten Jahren nicht erkennen werde. Pass auf mich auf und bring mich zurück, wie wir es besprochen haben.«
Karl Gustav nickte ihm zu. Erneut war er ganz froh darüber, heute in der Zuschauerrolle zu bleiben. Funktionierte ein Seelentausch wirklich so reibungslos, wie es der Hauptmann versprochen hatte?
Plötzlich spürte er ein Brennen auf dem Gesicht. Der Hauptmann musterte ihn. Jetzt erkannte Karl Gustav deutlich die rot glühenden Funken in den schwarzen Pupillen.
»Geh bitte ein Stück zurück. Am besten lehnst du dich an die Felswand.«
Karl Gustav nickte und ging rückwärts, bis seine Schultern gegen den kühlen Fels stießen.
Der Hauptmann streckte langsam die Arme aus und drehte die Handflächen nach oben. Seine linke Hand befand sich über dem Baby, die rechte vor Wilhelm, etwa in seiner Brusthöhe.
Dann trat wieder eine Veränderung ein.
Karl Gustav spürte, wie sich die Härchen in seinem Nacken aufstellten. Es roch nach Ozon. Die Luft schien wie elektrisiert zu sein, als ob ein gewaltiger Blitz in unmittelbarer Nähe eingeschlagen wäre. Der Hauptmann fing an zu murmeln. Es waren fremdartige Geräusche, die in keinster Weise menschlich klangen. Zwei winzige Lichter erschienen über seinen Händen. Sie schwebten. Gleichzeitig stieg Dampf auf. Erschrocken schaute Karl Gustav nach unten. Er hatte das Gefühl, sich auf einem kochenden Vulkan zu befinden. Tatsächlich sah es so aus, als ob der Rauch durch den massiven Steinboden kroch und senkrecht nach oben gezogen wurde. Die Konturen von Wilhelm, dem Baby und dem Hauptmann verwischten für einen Moment, es wurde dunkler. Die Fackeln hatten es schwer, sich gegen den Nebel zu behaupten. Genau in diesem Augenblick erstrahlte ein helles Leuchten.
Karl Gustav kniff die Augen zusammen. Das Licht auf der Hand über dem Baby war zu einem wahren Feuerball geworden. Mühelos schien es durch den immer dichter werdenden Nebel und warf bizarre Schatten an die Wände. Auch das Licht über der anderen Hand des Hauptmannes hatte an Intensität zugelegt, jedoch nur ein bisschen. Es besaß gerade eben genug Kraft, um durch den Nebelschleier zu glühen. Es sah seltsam aus. Es leuchtete in der Mitte kräftiger und wurde nach außen hin spürbar dunkler. Das Licht über dem Baby strahlte im Gegensatz dazu kompakt und wie aus einem Guss.
Ein Windzug wirbelte den Nebel auf und gab die Sicht auf die Protagonisten kurzzeitig frei. Karl Gustav erhaschte einen Blick seines alten Kameraden. Wilhelm stand kerzengerade da, seine Augen waren weit geöffnet. Das Licht vor ihm spiegelte sich in seinen Pupillen wider. Er hatte aufgehört zu lächeln. Sein Gesicht wirkte jetzt ausdruckslos wie das eines Schlafenden, wenn dieser starre
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