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Seelentod

Seelentod

Titel: Seelentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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an. «Mein Gedächtnis ist seit dem Schlaganfall allerdings auch nicht mehr, was es mal war.»
    «Könnte Hilda sich erinnern?»
    Cuthbert fing an zu kichern und verschluckte sich an den letzten Krümeln seines Kuchens. «Und wie Hilda sich erinnern könnte. Sie ist für das Tyne Valley das, was dieses Spionagenest in Cheltenham für den Geheimdienst ist.»
    «Aber sie ist keine Klatschbase», stammelte Maurice. «Kann man nicht sagen.»
    «Na ja, sie weiß oft mehr, als sie sich anmerken lässt», lenkte Cuthbert ein. «So viel ist sicher.»
    «Ob sie wohl mit mir reden würde, was meinen Sie?» Ashworth war sicher, dass er einiges Wissenswerte aus Hilda, der Matrone, herausbekommen würde. Alte Damen liebten ihn. «Ich will ja nicht stören, wenn sie viel zu tun hat, aber Sie könnten ihr doch sagen, wie dringend es ist.»
    Maurice zögerte.
    «Jetzt komm schon, Mo!», sagte Cuthbert. «Die Gelegenheit, mit so einem hübschen Kerl wie dem hier zu reden, die würde sie sich doch nicht entgehen lassen. Du kriegst mehr Ärger, wenn du ihn nicht mitbringst. Abgesehen davon ist sie jetzt sicher mit Staubsaugen fertig, und die Wäsche hängt bestimmt auch schon auf der Leine. Sie sitzt wahrscheinlich mit einer Tasse Kaffee vor dem Fernseher und schaut sich irgendeinen Blödsinn an.»
    Maurice lächelte sein schiefes Lächeln und stand auf.
     
    Hilda war noch nicht ganz fertig mit der Hausarbeit. Als sie kamen, wischte sie gerade den Küchenboden. Sie standen im Flur und sahen, wie ihr breiter Hintern sich zu den Bewegungen des Mopps hin und her wiegte.
    «Was gibt es denn?» Gereizt, aber auch besorgt. Vielleicht dachte sie, Maurice hätte wieder einen Anfall gehabt.
    «Es geht um Jenny Lister», sagte Cuthbert.
    Hilda warf ihm einen raschen Blick zu, den Ashworth nicht ganz einordnen konnte. Während sie den Boden fertigwischte, ließ sie die drei im Flur stehen, dann führte sie sie in das kleine Wohnzimmer und ließ die Tür offen, sodass sie sich aus der Küche mit ihnen unterhalten konnte. Sie hätten auch im Haus von Ashworths Großmutter sein können. Polierte Möbel aus dunklem Holz und, wo man hinsah, Spitzendeckchen. An den Wänden gerahmte Stickereien. Es roch nach Bienenwachs und Pfefferminz. Das Fenster war klein, und davor hing eine Tüllgardine, die nur sehr wenig Licht hereinließ.
    «Tee oder Kaffee?» Sie hatte ihren Eimer ausgeleert und rieb jetzt den Boden trocken.
    Maurice grinste Cuthbert an. Offenbar hatten sie sich richtig entschieden.
    Der Kaffee war sehr schwach, löslicher Kaffee mit heißer Milch, aber es gab selbstgebackene Haferkekse und Scones, die noch warm waren, mit so viel Butter, dass sie ihnen beim Essen über die Finger rann. Das Gebäck im Tearoom war kaum mehr als ein Mundvoll für jeden gewesen.
    «Also, wer ist das?»
    «Er ist von der Polizei.» Maurice sah sie bang an.
    «Na, so viel habe ich auch schon erraten!» Sie drehte sich zu Ashworth um. «Ich nehme an, Sie haben auch einen Namen.»
    Also stellte er sich vor und beantwortete ihre Fragen, wo er geboren sei und wo er wohne. Anscheinend hatte sie in jungen Jahren als Sekretärin bei
Parson’s
gearbeitet und eine seiner Tanten gekannt.
    «Was wollen Sie denn nun wissen? Ich schätze, es geht um Jenny Lister.»
    «Alles, was Sie mir erzählen können», sagte Ashworth. «Uns fallen gar nicht immer die richtigen Fragen ein.»
    Hilda band sich die Schürze ab, setzte sich auf einen Stuhl mit hoher Lehne und faltete die Hände im Schoß. Als sie dann sprach, war sie so konzentriert wie eine Kandidatin bei einer Quizshow, die Fragen zu ihrem Spezialgebiet beantwortet. «Jenny Lister ist …», eine ganz kurze Pause, «… 1993 ins Dorf gezogen. Im Sommer. Hannah war noch ein Baby, und Jenny hatte Mutterschaftsurlaub.» Wieder schwieg sie und rümpfte kurz die Nase, um deutlich zu machen, dass sie das missbilligte. Ein Anflug von Eifersucht?, fragte sich Ashworth. Wenn ich Kinder gehabt hätte, wäre ich zu Hause geblieben und hätte selbst auf sie aufgepasst? «Hannahs Vater, Jennys Mann, war nach London zurückgegangen, wo er auch herkam.»
    Die gleiche Geschichte wie bei Connie Masters, dachte Joe Ashworth. Deren Mann hat sie auch verlassen, als das Kind noch klein war. Ob es wohl von Bedeutung ist, dass ihnen beiden so was zugestoßen ist? Oder gehen über dem Versuch, mit einem kleinen Kind und einem anspruchsvollen Job eine Ehe zusammenzuhalten, die meisten Beziehungen kaputt? Vielleicht passiert so was ja ständig.

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