Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seelentraeume

Seelentraeume

Titel: Seelentraeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilona Andrews
Vom Netzwerk:
argumentiert und ihn mit Fakten zu überzeugen versucht. Während sie am Feuer saßen, hatte sie ihm die Operation in allen Einzelheiten erläutert. Im Bücherschrank hatte sie ein Anatomiebuch gefunden und ihm gezeigt, wie leicht man mit einem Skalpell Schaden anrichten konnte. Sie hatte ihm anhaltende, chronische Schmerzen infolge neu aufgebauter Knochen und verletzter Nerven angedroht. Und als sie sich liebten, nahm sie ihm den Atem. Sie wollte ihm einen Grund geben, es sich anders zu überlegen.
    Sie hatte keine Ahnung, dass sie alles nur noch schlimmer machte. Er wollte sie davon abhalten, um jeden Preis die dunkle Seite ihrer Magie einzusetzen. Also hatte er einen Plan geschmiedet, dessen Risiken er fast vollständig allein tragen musste. Und sie würde niemanden töten müssen. Alles hing davon ab, dass er Cassides Gesicht trug, also hatte er sich geduldig angehört, was sie zu sagen hatte, und die Schlüssigkeit ihrer Argumente akzeptiert, sich aber standhaft geweigert einzulenken.
    Dekart trug Handschuhe und begann, mit einem Tuschestab Linien auf Richards Gesicht zu zeichnen. »Wie gut verstehen Sie sich aufs Heilen, Mylady?« Er sprach mit leiser, weicher Stimme, die von einem leichten Louisiana-Akzent gefärbt war.
    »Ich bin die Heilerin«, gab sie schroff zurück.
    »Ich weiß, dass Sie eine Heilerin sind.«
    »Nicht
eine
Heilerin,
die
Heilerin.«
    Dekart sah sie an. »Vergeben Sie mir, wenn ich Ihnen nicht glaube. Die Heilerin hat bis zu ihrem Ruhestand wahre Wunder gewirkt. Aber da mein Patient sein Vertrauen in Sie setzt, sind Sie vermutlich trotzdem recht begabt. Solche Eingriffe sind … ziemlich schauerlich. Ich bitte Sie, sich mit Ihren Heilkünsten zurückzuhalten, bis ich Sie auffordere, sonst vereiteln Sie nur die Modifikationen.«
    Charlotte fixierte Richard mit einem tödlichen Blick. »Wenn du stirbst, bist du dran. Rechne bloß nicht damit, dass du im Jenseits Ruhe vor mir hast.«
    Es musste unerträglich für sie sein, erkannte er. Wäre es andersherum, läge sie auf diesem Tisch und wäre er gezwungen mitanzusehen, wie ihr Gesicht aufgeschlitzt würde – wie würde er sich verhalten?
    »Einen Moment bitte, Dekart.«
    Der Chirurg hob eine Schulter, dann ging er mit seiner Assistentin hinaus.
    »Hattest du einen klaren Moment?«, fragte sie. »Soll ich die Gurte lösen?«
    »Es tut mir leid, dass ich dir das antue. Das ist sicher sehr schwer für dich.« Er wollte ihr nicht wirklich zu verstehen geben, weshalb er es tat. Wenn er starb, würde er sich das nie verzeihen.
    Sie wölbte eine schmale Augenbraue. »Nun pass mal gut auf, mein gnädiger Herr Mar. Zuerst ignorierst du meinen Rat, dann beleidigst du mich auch noch. Ich kann dir versichern, dass ich schon häufig gesehen habe, wie ein Chirurg lebendiges Fleisch aufschlitzt. Und im Unterschied zu deinen Erwartungen bist du nichts so Besonderes.«
    Sie war sauer auf ihn. »Wenn ich mit dir tauschen könnte …«
    Ihre Augen funkelten vor Wut. Offenbar hatte er etwas Falsches gesagt.
    Sie streckte die Hand aus und ohrfeigte ihn.
    »Wenn du mit mir tauschen könntest, würde ich auf dem Operationstisch sterben. Du hast mir gegen meinen Willen die Verantwortung für dein Überleben aufgebürdet. Komm mir also bitte nicht mit Plattitüden.« Sie kehrte ihm den Rücken zu und marschierte aus seinem Blickfeld. »Er ist so weit.«
    Die Tür ging auf, und im nächsten Moment ragte Dekart über ihm auf. »Lassen Sie bitte die Finger von meinem Patienten. Falls Sie das Bedürfnis haben, ihm wehzutun, suchen Sie sich freundlicherweise andere Körperteile aus.«
    »Ich heile die Stelle, bevor Sie anfangen«, vernahm er die eisige Erwiderung.
    Eine kalte Nadel stach in seinen Arm.
    »Ich zähle bis zehn«, sagte Dekart. »Ich möchte, dass Sie die Zahlen wiederholen, nachdem ich sie ausgesprochen habe.«
    »Zehn.«
    Der Raum wurde undeutlich. »Neun.«
    »Neun.«
    »Acht.« Dekarts Stimme klang jetzt, als käme sie von weit her.
    »Acht«, flüsterte Richard.
    »Sieben.«
    Flackernd ging das Licht aus. Dann wurde es finster.
    »
Sieh mich an

    Eine Stimme rief ihn. Richard schwamm durch endloses farbloses Wasser darauf zu. Er war sich nicht sicher, um wessen Stimme es sich handelte, doch sie hatte ihn geweckt, und nun rührte er sich. Ein kleiner Teil von ihm wunderte sich, dass er nicht ertrank, und fragte sich, wo die Wasseroberfläche sein mochte. Allerdings regten sich diese Fragen zu schwach, um seine Aufmerksamkeit zu beanspruchen.
    Unter

Weitere Kostenlose Bücher