Seelentraeume
lichtete.
Voshak ritt in sein Blickfeld. Ein Mann mittlerer Größe mit kräftigem, sehnigem Körper, schlank und äußerst widerstandsfähig. Er gehörte nicht zu den Schnellsten und Stärksten, hielt aber mit am längsten durch. Ein Netz feiner Narben entstellte sein Gesicht. Bestimmt würde er mit einer romantischen Geschichte aufwarten, wie es dazu gekommen war, anstatt zuzugeben, dass ein Stallbursche sein Gesicht während eines misslungenen Überfalls mit einer Mistgabel bearbeitet hatte.
Voshaks Haar, ein hellblonder, gebleichter Zopf, galt als sein Markenzeichen. Dadurch wurde er unvergesslich. So machten es die Sklavenhändler – sie schlüpften in Kostüme und Charaktermasken, hofften so, überlebensgroß zu wirken und Angst und Schrecken zu verbreiten. Gegen einen Mann konnte man kämpfen, nicht jedoch gegen einen Albtraum.
Voshak fasste den Rothaarigen ins Auge. »Habe ich dich zu meiner rechten Hand gemacht, Milhem?«
Milhem senkte den Blick.
Ceyren, Voshaks rechte Hand, war vermutlich tot, sonst hätte er Milhem vom Pferd gezerrt und so lange auf ihn eingedroschen, bis nur noch blutiger Brei übrig geblieben wäre. Interessant.
»Dann halt die Klappe«, sagte Voshak. »Wenn ich deine Meinung hören will, prügele ich sie aus dir raus.« Er musterte die Reiter. »Falls sich einer von euch Schwachköpfen Sorgen macht, niemand ist hinter uns her. Das sind Edger. Die scheren sich nur um sich selbst, und eine Kugel will sich von denen keiner einfangen. Wir haben seit zwanzig Stunden nicht geschlafen. Ich bin müde. Und jetzt schlagt das Scheißlager auf.« Damit wandte er sich einem älteren, einäugigen Sklavenhändler zu. »Crow, du bist ab jetzt meine rechte Hand. Sorg dafür, dass alles klappt.«
Crow, ein breitschultriger, wettergegerbter Bastard, brüllte: »Los, sonst mache ich euch Beine!«
Vernünftige Wahl, dachte Richard. Crow war schon älter, erfahren und arbeitete hart daran, Angst zu verbreiten. Wenn es nicht an seiner Augenklappe und der Körpergröße lag, dann gewiss an seiner schweren, schwarzen Lederkluft sowie dem rabenschwarzen, mit Fingerknochen geschmückten Pferdeschwanz.
Voshak wendete sein Pferd. Sein Blick fiel auf Richard. »Aufgewacht, meine Süße? Du hast da was.« Der Sklavenhändler fasste sich an den rechten Mundwinkel. »Was ist das? Oh, das ist bestimmt Scheiße von meiner Stiefelsohle!«
Gelächter.
Richard grinste, fletschte die Zähne. »Du versüßt mir mit deinem Witz meine Tage, Leftie.«
In Voshaks Gesicht zuckte ein Muskel. Er zog die Zügel straff. »Da hockst du in deinem Käfig, Jäger. Wenn wir am Ziel sind und ich dir Arme und Bein abschneide, wirst du singen wie ein Vögelchen.«
»Wie war das? Ich hab dich akustisch nicht verstanden.« Richard beugte sich vor und fasste Voshak ins Auge. Im Blick des Sklavenhändlers funkelte ein Anflug von Furcht, der Richard runterging wie Öl. »Komm doch näher, Voshak, anstatt dich wie ein kleiner Junge vor dem Gürtel seines Daddys zu verstecken.«
Voshak grub die Sporen in die Flanken seines Gauls. Das Tier machte einen Satz, und Voshak ritt davon. Feigling. Die meisten von denen waren grausame, bösartige Feiglinge. Tapfere Männer entführten nicht mitten in der Nacht Kinder und verkauften sie an Perverse, um sich anschließend von dem Geld volllaufen zu lassen.
Die Reiter stiegen aus den Sätteln. Zwei banden die Pferde an, wobei sie darauf achteten, Richards Käfig nicht zu nahe zu kommen. Andere machten sich daran, olivgrüne und graue Zelte aus den Satteltaschen zu ziehen. Auf einer Seite der Zelte war in Rot das Logo COLEMAN aufgenäht. Die Zelte stammten wohl aus dem Broken. Eine Handvoll Sklavenhändler schichtete Zweige auf. Ein Dunkelhaariger übergoss sie mit einer Flüssigkeit aus einer Flasche, zündete ein Streichholz an und warf es auf den Haufen. Ein orangeroter Flammenpilz loderte auf. Der Mann wich zurück und rieb sich das Gesicht.
»Hast du eigentlich noch Augenbrauen, Pavel?«, rief Crow.
Pavel spuckte ins Feuer. »Aber es brennt, oder nicht?«
Ein Sklavenhändler trat an den Käfig. Ein magerer Typ mit schmutzig braunem Haar und hellen Augen. Er kletterte auf den Wagen, öffnete eine Klappe am oberen Rand des Käfigs, kaum groß genug, um eine Schüssel durchzureichen, und tunkte eine langstielige Kelle in einen Eimer.
Richard wartete. Sein Mund war so trocken, dass er das Wasser fast schmecken konnte.
Der Mann schob die Kelle durch die Klappe. »Wieso Leftie?«, knurrte
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