Seelentraeume
meine Fragen.«
»So ehrlich ich kann.«
»Aber eine Frage, ehe ich Sie freilasse: Haben Sie irgendwelche Vorlieben, was Typhus, Malaria, den Roten Tod, Ebola oder Tuberkulose angeht? Ich hätte auch noch andere Seuchen im Angebot.«
»Wo?«, fragte Richard.
»Ich trage inaktive Proben im Körper. Um eine Krankheit zu heilen, muss man sie erst mal verstehen, und manchmal ist für eine Impfung eine kontrollierte Infektion erforderlich. Wenn Sie mich angreifen, Richard, mache ich Sie fertig. Falls Sie daran zweifeln, sehen Sie sich um.«
»Ich gebe mir Mühe, es nicht zu vergessen.«
Charlotte stand auf. Der weißhaarige Sklavenhändler war der Anführer gewesen. Also hatte er vermutlich den Schlüssel. Sie ging vor seiner Leiche in die Hocke – sie stank fürchterlich – und durchsuchte seine Kleidung und drehte rasch seine Taschen auf links. Geld, Patronen … »Kein Schlüssel.«
»Danke, aber wir brauchen keinen«, sagte Richard. »Ich benötige lediglich ein Messer und ungebundene Hände.«
Sie zog ein Messer aus der Scheide am Gürtel des Sklavenhändlers, griff zwischen den Stäben hindurch und sägte das dicke Seil entzwei, mit dem seine Hände gefesselt waren. Das Seil riss. Richard rollte die Schultern und streckte die Hand aus.
Gut möglich, dass sie es bedauern würde, aber sie konnte ihn nicht in dem Käfig lassen. Also legte Charlotte ihm das Messer in die Hand. Richard drehte es um. Sie fühlte Magie durch die Klinge pulsieren. Sie floss aus seinem Körper ins Metall und fuhr als dünne, hell leuchtende weiße Linie an der Schneide entlang.
Richard bearbeitete die Kette an seinen Füßen.
Die Glieder lösten sich.
Sie hatte schon erlebt, wie konzentrierte Blitze durch Fleisch fuhren, aber noch niemals durch Stahl. Nicht so.
Er schlug nach der Kette vor der Tür seines Gefängnisses. Sie fiel zur Erde. Richard stieß die Tür auf, schlüpfte hinaus, wankte und hielt sich an dem Wagen fest. Sie hatte nicht bemerkt, wie groß er war, fast fünfzehn Zentimeter größer als sie. Charlotte wartete darauf, dass er sich hinsetzte, doch er blieb stehen. Was ihm offensichtlich schwerfiel.
Ihr ging ein Licht auf. Sie setzte sich wieder auf die Satteltaschen, sofort ließ Richard sich auf der Erde nieder und lehnte sich gegen das Wagenrad. Lächerlich. Richard mochte zwar kein Blaublütiger sein, benahm sich aber so, und die eingefleischten Sitten des Weird gestatteten es ihm nicht, sich zu setzen, solange sie stand.
»Sie hatten Fragen?«
»Erzählen Sie mir, was Sie mit den Sklavenhändlern zu schaffen haben«, forderte sie ihn auf.
»Sagt Ihnen der Marschall der Südprovinzen etwas?«, wollte Richard wissen.
»Earl Declan Camarine? Roses Mann«, antwortete Charlotte. »Éléonore hat oft von ihm gesprochen, ich habe ihn allerdings nie persönlich kennengelernt, weiß aber über seine Familie Bescheid.«
»Das Büro des Marschalls hat die Sklaverei jahrelang bekämpft«, berichtete Richard. »Erfolglos. Die Sklavenhändler verfügen über eine weitgespannte Organisation, Gruppen wie diese sind die unterste Sprosse der Leiter. Die Sklavenhändler beschäftigen Schiffskapitäne, Buchhalter, Zwischenhändler und Wachpersonal. Die Liste ist noch länger. Der Marschall der Südprovinzen hat in den letzten zehn Jahren mehrere Operationen gegen die Sklavenhändler durchgeführt und ist jedes Mal damit gescheitert. Sie wussten immer genau, wann und wo er zuschlagen wollte.«
»Dann protegiert sie jemand«, vermutete Charlotte.
»Ja, jemand höheren Orts mit guten Verbindungen und Zugang zu den inneren Kreisen des Staatsministeriums. Vor etwas mehr als einem Jahr hat Declan mich zu einem Gespräch gebeten. Er benötigte jemanden von außen, einen Mann, der nicht an die Einschränkungen seines Büros gebunden war. Also fragte er mich, ob ich dieser Mann sein wollte, und ich habe zugesagt.«
»Warum?«
Richard hielt inne. Seine Augen wurden dunkler. »Meine Familie stammt aus dem Edge. Ich will die Sklavenhändler aus persönlichen Gründen tot sehen. Es genügt zu sagen, dass ich ziemlich triftige Gründe habe.«
Unverkennbar war er traumatisiert. Richard musste irgendein großes Unrecht widerfahren sein. Sie wollte wissen, was ihn antrieb, doch sein Blick verriet ihr, dass er diese eine Frage nicht beantworten würde. Sophie, wer immer sie sein mochte, musste Teil davon sein.
»Ich habe acht Monate damit zugebracht, Informationen zu sammeln und Leute zu finden, denen ich vertrauen konnte, und
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