Seelentraeume
wohlbekannter Wolfripper aus dem Unterholz und rammte Crow. Ein Gewehrschuss krachte, doch die Kugel verlor sich in den Wolken. Der Hund verbiss sich in dem Sklavenhändler. Crow kreischte einmal, krümmte sich am Boden und verstummte schließlich.
Ein Wirbel durchsichtiger, von roten Funken durchsetzter Dunkelheit umgab die Frau. Ein identischer Strom drehte sich in entgegengesetzter Richtung um ihren Körper. Dann wandte sie sich langsam Voshak zu, der sich die Lunge aus dem Leib hustete.
Richard sah ihre Augen, ihr Blick ließ sein Blut gefrieren. In ihren Iriden funkelte pure Macht.
Die Frau erhob sich. Die dunklen Ströme ihrer Magie wurden breiter und prallten aufeinander. Die Funken blitzten tiefrot. Die Ströme teilten sich in Dutzende dünner Tentakel, die wie zubeißende Schlangen ausholten und ihre Fänge in den Anführer der Sklavenhändler schlugen.
Voshak schrie. Seine Knie gaben nach, er ging haltlos zu Boden. »Helft mir!«
Niemand rührte sich mehr.
Voshak versuchte sich aufzurappeln, doch seine Beine wollten sein Gewicht nicht mehr tragen; er brach erneut zusammen und hustete Blut. »Was willst du?«
Die Frau antwortete nicht.
Voshak brüllte. Ein Beben schüttelte seinen Körper.
»Willst du Geld? Ich habe Geld.«
Die Frau sagte nichts.
»Was? Was willst du?«
»Du hast Daisy umgebracht«, sagte sie jetzt. Ihre heisere Stimme zitterte vor kaum beherrschter Wut. »Und du hast Éléonore ermordet!«
Dann war seine Erinnerung an Roses Großmutter also keine Einbildung oder Halluzination. Richard überkamen Gewissensbisse. Mittelbar oder unmittelbar hatte er ein weiteres Opfer verschuldet. Den Jungs würde es das Herz brechen.
Er verdrängte den Gedanken dorthin, wohin er auch die Schuldgefühle für seine übrigen Untaten verdrängt hatte.
Voshak krümmte sich auf der Erde. »Ich hasse dich. Scheiße, und wie ich dich hasse. Ich würde es wieder tun. Die magere Schlampe hätte ich besser auch kalt gemacht.«
Ein Tentakel dunkler Magie traf den Anführer der Sklavenhändler, der gurgelnd erschauerte.
»Éléonore war wie eine Mutter für mich. Du hast ein Loch in mein Leben gerissen. Und du hast eine junge Frau ermordet, die ihr ganzes Leben noch vor sich hatte. Aber du hast es einfach beendet, und ihre Schwester muss sich jetzt mit ihrem Tod abfinden«, sagte die Frau mit eisiger Miene. »Ich will, dass du begreifst, wie viel Leid du verursacht hast. Ich will, dass du selbst leidest, bevor du stirbst.«
Voshak wand sich wie unter Peitschenhieben.
Sie fixierte ihn. Der Schmerz in ihren Zügen war nicht zu übersehen. Richard fragte sich, warum sie die Qualen nicht auch auf die übrigen Sklavenhändler ausdehnte. So wie die Dinge lagen, wäre ein sofortiger Tod eine Gnade gewesen.
Voshak tat einen letzten schaudernden Atemzug und lag dann still. Ein fauliger Gestank waberte über die Lichtung. Richard würgte, als Voshaks Leiche in Verwesung überging.
Die Ströme dunkler Magie verebbten, ehemals mächtige Drachen schrumpften zu zahm über die Haut der Frau gleitenden Schlangen.
Sie trat vor. Die Kette an ihrem Fuß zog an Voshaks Bein. Die Knochen des Sklavenhändlers zerfielen, faulendes Fleisch löste sich, dann war sie an niemanden mehr gekettet. Nun schritt sie zwischen Leichen hindurch auf Richard zu. Gleichermaßen schön und entsetzlich. Ein Engel des Todes.
Sie erreichte sein Gefängnis.
Sie sahen einander durch die Gitterstäbe an.
Ihre Augen waren genauso wie in seiner Erinnerung: von Macht erleuchtet und herzerweichend schön. Doch diesmal sah er in ihrer Tiefe keine Besorgnis. Sein Käfig hatte den Besitzer gewechselt. Ob zum Besseren für ihn würde sich zeigen.
Richard erwog seine Optionen. Von drei Möglichkeiten würde eine Wirklichkeit werden: Sie konnte ihn töten, sie konnte fortgehen, oder sie konnte ihn befreien. Wenn er darauf hoffen wollte, heil aus diesem Schlamassel herauszukommen, musste er sie bequatschen. Er musste überleben und beenden, was er begonnen hatte.
Die Ströme ihrer dunklen Magie leckten an den Gitterstäben und schlugen rote Funken aus dem Metall. Richard wappnete sich. Ihre Augen verrieten ihm, dass es von seinen nächsten Worten abhing, ob er diesen Käfig als freier Mann verließ oder darin vor Hunger und Durst umkam.
Sie waren tot. Alle. Es hatte sich unglaublich gut angefühlt, sie sterben zu sehen. Die Dunkelheit in ihr triumphierte, während sie zugleich angewidert und entsetzt am ganzen Körper zitterte. Die mit Leichen
Weitere Kostenlose Bücher