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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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liegt an dir, dass ich nicht will... Daran liegt’s wirklich nicht. Und ich will auch nicht ... dass wir uns jetzt nicht mehr sehen oder so, echt nicht. Ich will, dass wirs tun. Ähm, also, ich will, dass wir das tun. Ich brauch einfach nur ... ein bisschen Zeit.«
    Die Worte hingen so lange zwischen ihnen in der Luft, dass Chess praktisch hören konnte, wie sie abstürzten und verreckten. Oh Scheiße, das hatte sie jetzt total verbockt, oder? Sie hatte alles ganz falsch gesagt, und jetzt raffte er überhaupt nicht, was sie von ihm wollte. Sie hatte gedacht, dass er verstehen würde, einfach zwischen den Zeilen lesen könnte und sie verstehen würde, aber was, wenn nicht? Sollte sie noch mehr sagen? Aber wie viel mehr?
    Dann nickte er. »Okay, geht klar. Mach dir keinen Kopf.«
    Die kalte Hand um ihre Brust lockerte ihren Griff. Die Panik schwebte immer noch über ihr und hämmerte gegen die Wände ihres Rausches, auf der Suche nach einem Weg hinein, aber nicht mehr so brutal wie noch vor wenigen Minuten.
    Allerdings hatte sie nicht die geringste Ahnung, wie es zwischen ihnen weitergehen sollte.
    »Fährste jetzt wieder nach Hause?«
    »Keine Ahnung. Magst du noch mitkommen?« Die Worte kamen aus ihrem Mund, bevor sie richtig darüber nachdenken konnte. Vielleicht war das keine so gute Idee. Er in ihrer Wohnung, nur sie beide ... ja. Vielleicht war es echt keine so gute Idee.
    »Ich dachte, ich geh vielleicht noch ins Trickster. Da spielt ’ne neue Band, die soll gar nich schlecht sein. Komm du doch mit, wenn du willst.«
    Sie nickte und trat endlich mit ein paar Schritten an seine Seite. Das Trickster war vermutlich die klügere Wahl, weil sie schon das Flattern im Bauch hatte, wenn sie bloß hier neben ihm stand. Und sie musste ständig seinen Adamsapfel anstarren; die Haut dort würde sich unter ihren Lippen bestimmt unendlich weich anfühlen.
    »Dann fahr ich erst mal mit zu dir und lass den Wagen da stehen.«
    Im Gehen streifte ihre Schulter seinen Arm. Ein leichter Schauder durchlief sie bei der Berührung, der nicht das Geringste mit dem kalten Wind zu tun hatte. Scheiße, was hatte sie da angerichtet? Und was sollte sie jetzt bloß machen? Sie hatte gerade einen Riesenfehler gemacht, oder? Wenn sie im Lauf der letzten Wochen auch nur irgendetwas gelernt hatte, dann doch wohl, dass sie und Beziehungen sich zueinander verhielten wie Feuer und Wasser und dass sie aus gutem Grund schon so lange alleine war. Aber die Einsamkeit kam ihr inzwischen nicht mehr wie ein stiller Zufluchtsort vor, sondern bloß noch einsam. Und sie wusste, vertraute ohne jeden Zweifel darauf, dass er sie zu nichts zwingen würde. Und er hätte auch kein Sterbenswort gesagt, wenn sie ihn nicht dazu ermutigt hätte; er hätte es ihr überlassen, den nächsten Schritt zu tun und den richtigen Zeitpunkt dafür zu wählen. Und wenn sie schon seine bloße Gegenwart antörnte, na, dann war das ja auch nicht gerade was Neues, oder? Auch wenn sie sich noch so viel Mühe gab, sich was vorzumachen.
    Als sie am Ende der Brücke angekommen waren, legte er ihr die Hand auf den Rücken und half ihr über den Schutt und die losen Zementbrocken. Sofort geriet ihr Blut noch mehr in Wallung. Scheiße, sie musste echt mal aufhören, daran zu denken. Erregung war schließlich genau wie Traurigkeit: Sobald sie das Gefühl einmal zuließ, hörte es einfach nicht mehr auf, strömte brennend in sie rein wie Whiskey und füllte sie komplett ab. Sie hatte immer noch Angst, fühlte sich immer noch nicht bereit, aber ihn einfach mal zu küssen, das wäre ja wohl okay, oder? Wenn sie Freunde waren, die sich auch mal küssten?
    Nur ein einziger Kuss. Nur noch einmal diese Hände auf ihrem Körper spüren und seine Haut schmecken. Es musste ja auch gar nicht lange sein. Sie wollte ihn einfach nur berühren. Ihm nahe sein. Sie könnte ihn küssen und ihm die Hände unter das Hemd schieben, über seine Brust streichen. Er würde sie fest in seine Arme schließen, diese Arme, die sich stark genug anfühlten, um ihr Halt zu geben, und dann könnte sie seinen Hals küssen, daran knabbern, sich festbeißen, die Haut aufreißen, bis ihr das Blut in die Kehle spritzte, ihm die Fingernägel in die Augen bohren, sie herausreißen und ...
    Sie unterdrückte den Aufschrei in letzter Sekunde, warf sich beiseite und stürzte auf den kalten Boden.
    »Nein! Nein, bleib weg von mir!« Sie schlug die Hand weg, die er ihr entgegenstreckte und krabbelte über den Bürgersteig davon.

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