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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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verängstigtes Tier, während ihr rasendes Herz drohte, aus der Brust zu springen. Was ... oh Scheiße, wie lange war er schon hier? Warum war er hier, wie konnte er wissen, wo ...
    Klar. Sie kapierte. Kapierte, ohne dass er es sagen musste, noch bevor der Gedanke in ihrem Kopf vollständig Gestalt annahm. Er hatte einen Anruf bekommen, einen anonymen vielleicht. Oder eine SMS. Sie konnten ihr nichts anhaben, weil sie sie spüren konnte, also hatten sie sich etwas anderes einfallen lassen, um sie aus dem Verkehr zu ziehen.
    Erwischt.

23
    Man sollte niemals Geheimnisse haben, in der Familie nicht
    und nicht vor den Menschen, die man liebt. Wieder suchen
    wir Rat bei der Kirche, und die Kirche lehrt uns,
    dass die Wahrheit immer das Beste ist.
    Familie und Wahrheit, eine kirchliche Broschüre
    Sie ließ Lex los, rollte herum und kam schwankend auf die Füße. Vertrocknete Blätter und Grashalme klebten an ihrem Mantel und im Haar. Ihre Jeans stand weit offen. Es schien Stunden zu dauern, sie wieder zuzuknöpfen, während Terribles Blick ihr Löcher in den Kopf brannte. Verdammt, was ging jetzt wohl in ihm vor? Ob er sauer auf sie ... was für eine bescheuerte Frage. Natürlich war er sauer auf sie. Sie konnte es bis hier drüben spüren.
    Endlich glitt der oberste Knopf ins Loch, und sie hob den Blick. Sah ihm direkt in die Augen.
    Oder dahin, wo seine Augen hätten sein sollen. Sie sah nur schwarze Löcher, tief und leer. Irgendwie wirkte er größer, groß genug, um die Gräber, den Zaun, die ganze Welt zu verdecken.
    »Letzte Nacht?«, fragte er mit so tiefer Stimme, dass sie die Worte eher fühlte als dass sie sie hörte. »Letzte Nacht hast du noch ganz anders geredet? Tülpi?«
    Sie öffnete den Mund, brachte aber keinen Ton heraus. Einen Augenblick lang sah sie sich mit seinen Augen, rot im Gesicht und zerzaust. Schmutzig. Nuttig.
    »Wie lange schon, Chess?«
    »Terrible ...« Scheiße, heulte sie jetzt etwa?
    Lex bewegte sich durch das perlmuttschimmernde Mondlicht und pflanzte sich zwischen ihnen auf. »Komm schon, Terrible, gibt doch keinen Grund, dass du dich hier so ...«
    Terrible sprang vor. Als seine Faust für eine Sekunde im Licht aufschien, prägte sich das Bild wie ein Fotonegativ in ihre Netzhaut, dann sauste die Hand herab. Der Hieb erwischte Lex mit voller Wucht; sie hörte etwas knacken, als Fleisch dumpf auf Fleisch prallte. Lex stürzte zu Boden wie ein Gehängter, den man vom Strick losschneidet.
    »Schon seit Chester, ja?« Sein Atem ging immer schneller. »Tülpi? Seit ...«
    Noch bevor sie darüber nachdachte, war sie in Bewegung, noch bevor sie sah, wie er den Fuß hob. Er würde Lex umbringen, wenn sie ihn nicht davon abhielt. Er würde ihn auf der Stelle töten. Sie hörte es am Klang seiner Stimme; es war so unausweichlich wie ein Garnknäuel, das gar nicht anders kann, als sich abzuspulen.
    Es funktionierte, aber nicht so wie gedacht. In dem Augenblick, als sie ihn anfasste, prallte er zurück und stürzte fast, so hastig versuchte er, von ihr wegzukommen, damit sie ihn nur ja nicht berührte. Er ballte die Fäuste, während seine Arme sich in den Gelenken drehten wie Maschinenteile, die er nicht anhalten konnte.
    Er wollte sie schlagen. Sie sah es in seinen Augen, im Pumpen seiner Brust, und erkannte, dass er sich nur mühsam beherrschte. Zum ersten Mal seit Monaten schnürte ihr die Angst vor ihm die Kehle zu. Kälte strömte ihr in die Brust, weil sie sich vor ihm fürchtete, und vor dem, was er ihn antun könnte. Einen Mann zu verletzen, der all seine Probleme mit Gewalt löste, war vermutlich nicht die brillanteste Idee gewesen, die sie in ihrem Leben gehabt hatte. Sie spürte, dass er all seine Kraft aufwenden musste, um sich zu beherrschen.
    Sie brauchte auch nicht zu fragen, wie er die Verbindung zwischen Chester und »Tülpi« hergestellt hatte. Lex hatte ihr einmal eine Nachricht hinterlassen, eine kleine Zeichnung von einer Tulpe. Terrible hatte sie gefunden. Er hatte keine Fragen gestellt, nichts dazu gesagt, aber sie hätte wissen müssen, dass er diesen Vorfall in seinem verfluchten Dickschädel abspeichern würde.
    »Terrible«, sagte sie noch einmal, aber er schüttelte bloß den Kopf. Er wich zurück, stolperte über einen Grabstein, fing sich aber wieder.
    »Terrible, bitte hör mir doch mal zu. Bitte.« Etwas Warmes tropfte auf ihre bloße Hand, und sie begriff, dass es eine Träne war. »Es ist nicht ... ich weiß, wonach das aussieht, aber ich wollte nicht

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