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Seelenzorn

Seelenzorn

Titel: Seelenzorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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bewahrte die Kirche die Nachschlagewerke zur Magie auf. Chess kniete sich vor das Regal und ließ den Blick über die Titel schweifen. Augen ... Augen.
    Sie hatte natürlich schon Augen zum Zaubern benutzt, aber nur als Spruchzutaten. Salamanderaugen wurden manchmal in Umschlägen gegen Energiemangel verwendet. Getrocknete und zerstampfte Rabenaugen ließen sich für Schutzzauber einsetzen. Aber sie hatte noch nie gehört, dass jemand Menschenaugen benutzte, schon gar nicht für Sexmagie, und außerdem schwante ihr, dass die Augen keine bloßen Ingredienzien waren.
    Endlich griff sie sich ein paar Bücher und setzte sich damit an den Tisch. Das erste war ein schmales Bändchen über Hellseherei, von dem sie sich einiges erhoffte. Allerdings befasste es sich überwiegend mit Visionen und Zaubersprüchen, bei denen der Geist des Ermittlers den Körper verließ. Für solche Dinge war das Black Squad zuständig, das der Kirchenregierung unterstellt war und nicht aus gewöhnlichen Angestellten wie Chess bestand. Es kümmerte sich um weltliche und magische Verbrechen, aber auch um Verstöße gegen moralische Richtlinien, während Chess sich fast ausschließlich mit dem Verbrechen vorgetäuschter Geistererscheinungen befasste - »Irreführung der Justiz durch Spektralbetrug« lautete der offizielle Terminus - und die Geister bannte, falls sie doch existierten.
    Das zweite Buch enthielt kaum mehr Verwertbares. Es begann mit einem Zitat, das sie schon einmal gehört hatte, über Augen als Fenster der Seele, und widmete sich dieser Vorstellung unter magischen Gesichtspunkten.
    Hatte die Glyphe, die Daisys Mörder hinterlassen hatte, vielleicht damit zu tun? Chess holte die Kamera heraus, um sich die Aufnahme von der Toten und von der Wand noch einmal anzusehen. Unwillkürlich verhärtete sich ihr Mund beim Anblick des schrecklich eingesunkenen Gesichts. Sie klickte sich durch die Fotos, bis sie das gewünschte gefunden hatte.
    Das Zeichen sah eigentlich überhaupt nicht wie ein Gesicht aus. Gesichter waren schließlich nicht dreieckig. Aber die Symmetrie schien nahezulegen, dass es eines darstellen sollte. Oder es stand für einen anderen Körperteil. Terrible hatte gesagt, dass Daisy die erste weibliche Leiche war, die man gefunden hatte, und dass vom zweiten Opfer - Little Tag, wenn sie sich nicht täuschte - nicht allzu viel übrig geblieben war. War es möglich, dass jemand einen neuen Körper zusammensetzte als Gefäß für eine verlorene Seele?
    So etwas kam vor, aber natürlich selten. Sie hatte bisher nur davon gehört und noch nie mit einem solchen Verbrechen zu tun gehabt oder auch nur den geringsten Hinweis darauf gesehen. Aber Augen verfielen schnell, wenn sie nicht gekühlt wurden; falls sie also tatsächlich dazu dienten, einem auf Erden wandelnden Geist das Sehen zu ermöglichen, würde sein Gefährte oder Seelenverwandter oder wer auch immer bald Nachschub brauchen.
    Und das bedeutete mehr Tote.
    Sie zog sich die Ärmel ihres roten Pullovers über die Hände und schlang die Arme um sich, aber der Schauder, der ihr über den Körper kroch, kam nicht von der Kälte. Geistern war es egal, wen sie töteten; die Erfahrung mit Annabeth Whitman am vorigen Abend hatte ihr das noch einmal krass vor Augen geführt - als ob das nötig gewesen wäre. Aber der Geisterbeschwörer, der den Geist an die Erde band und ihn mit Energie versorgte, dem war das nicht egal...
    Eigentlich hätte sie das nicht überraschen dürfen. Wusste sie nicht besser als irgendjemand sonst, wie tief Menschen sinken konnten? Und trotzdem empfand sie jedes Mal aufs Neue eine müde, kraftlose Verblüffung, wenn es wieder einmal jemandem gelungen war, sich eine neue Methode auszudenken, wie er anderen Schmerzen zufügen konnte.
    Sie blätterte rasch durch den Rest des Buches, fand aber so gut wie nichts mehr, kaum genug, um eine Seite in ihrem Notizbuch zu füllen. Sie würde später mit Terrible darüber sprechen, vielleicht fiel ihm etwas dazu ein, oder er wusste noch etwas, das ihr weiterhelfen würde. Eigentlich war das sogar ziemlich wahrscheinlich.
    Seufzend stellte sie die Bücher ins Regal zurück und warf einen prüfenden Blick auf die Wanduhr. Fast Mittag. Die Runen- und Symbolverzeichnisse der Bibliothek würde sie ein anderes Mal durchgehen müssen - zumindest war klar, dass sie die Glyphe noch nie zuvor gesehen hatte.
    Blieb nur noch eins zu überprüfen. Goody Glass sah ihr griesgrämig hinterher, als sie das Sonderarchiv verließ und

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